ÖPNV - wie klappt es bei euch?

Xiocolata

da Seda-Fan
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Es wird viel diskutiert über Klimaerwärmung, Umweltverschmutzung, Feinstaub, ...
Und es gibt viele kleine Puzzleteilchen, mit denen wir alle etwas tun können, wenn wir wollen. Nur wird es uns nicht immer leicht gemacht.

Mich beschäftigt gerade der ÖPNV.

Ich wohne in der Städteregion Aachen.
Mein Ort (oder besser Ortsteil) hat eigentlich eine brauchbare Nahverkehrsanbindung.
Nach Aachen fährt man mit dem Zug knapp 20 Minuten und es gibt 4 Verbindungen in der Stunde. Dazu gibt es noch ein paar Buslinien, aber die sind deutlich länger unterwegs. Querverbindungen in andere Orte des Umlands sind deutlich seltener, man muss oft umsteigen, oder man fährt über "das Zentrum" Aachen.

Aber:

Das Ganze ist vergleichsweise teuer (ich glaube, der AVV ist der teuerste Verbund in NRW). Wenn man ein Auto hat, und womöglich zu zweit unterwegs ist, ist es nicht selten günstiger damit zu fahren (trotz Parkgebühren).
Ich habe Glück. Da ich wieder studiere, habe ich ein günstiges Semesterticket. Aber für viele andere ist es ein Rechenexempel.

Die Bahn ist notorisch unzuverlässig.
Züge sind verspätet oder fallen aus (wie überall?), manchmal enden sie unvermittelt irgendwo auf der Strecke. Fahrgäste werden aus dem Zug geworfen und stehen verloren am Bahnhof. Vielleicht gibt es einen Hinweis "Bitte nehmen Sie den nächsten Zug" aber oft nicht mal das. Ich habe schon öfter Menschen mit dem Auto abgeholt, weil sie irgendwo gestrandet waren.
Im Augenblick geht hier nur wenig. Die Strecke Aachen-Düsseldorf wurde neu ausgeschrieben und man hat wohl vergessen darauf hinzuweisen, dass wegen der Bahnsteiglängen Doppelstockwagen eingesetzt werden sollen. Der Gewinner der Ausschreibung hat nur einstöckige Wagons, so dass jetzt alle Bahnsteige verlängert werden müssen. Beeinträchtigungen des Bahnverkehrs gibt es schon seit einiger Zeit. Aber jetzt, in den Sommerferien, ist es extrem. Es gibt Teilstücke mit Schienenersatzverkehr, das verlängert die Fahrtzeit dermaßen, dass viele Pendler auf das Auto umsteigen. Zusätzlich kommt es auf den verbliebenen Teilstücken immer wieder zu Ausfällen ("technische Störung"), die aber immer erst mitgeteilt werden, nachdem der Bus abgefahren ist.

Busse fahren zur Zeit, aber auch das ist nicht immer so.
Im Winter (Grippezeit) werden manche Linien nur sporadisch bedient (keine Busfahrer), Informationen gibt es kaum. Außerdem sind viele Busfahrer extrem unfreundlich. Im Frühjahr saß ich lesend im (durch gewollte Werbeplakate blickdichten) Wartehäuschen, als der verspätete Bus kam. Sobald ich ihn hörte sprang ich auf und lief zum Fahrbahnrand. Der Busfahrer fuhr mich an, das nächste Mal würde er mich stehen lassen, wenn ich nicht schon vorher am Straßenrand stünde. (Wozu gibt es dann die Wartehäuschen?) Und das ist leider kein Einzelfall, ich habe es in den letzten Wochen auf verschiedenen Strecken auch gegenüber anderen Fahrgästen erlebt.

Fahrradmitnahme ist in NRW - kompliziert.
Mit der Bahn ist es möglich, aber teuer. Es gibt nur Tagestickets, die kosten knapp 5€.
Im Bus geht es kaum. Ich glaube, in die Eifel kann man am Wochenende einen Fahrradbus nutzen, aber auch nur dann.

Wie sieht es bei euch aus?
Habt ihr einen funktionierenden Nahverkehr?
Wie ist bei euch die Preispolitik?
Müsst ihr trotzdem ein Auto haben, sei es für den Fall, dass mal wieder alles zusammenbricht, oder weil ihr Orte erreichen müsst, die schlecht/nicht angebunden sind?
 
Eine Zeit lang bin ich die 25km (einfache Strecke) mit dem Rad zur Arbeit gefahren. Das klappt per se auch ganz gut. Problem sind die Lasten, die man durch die Kinder mitnimmt (Rucksäcke, Wechselsachen, Schulsachen, Frühstück — und wo lässt man den Anhänger stehen, weil man gar nicht alles tragen kann? Vor'm Kindergarten?). Was ist, wenn in der Schule / im Kindergarten was passiert und ich reagieren muss? Dann muss ich 1h mit dem Rad zurück legen und habe keinen Stauraum, wo ich die Eventualiläten abdecken kann. ÖPNV wäre da noch schlimmer: Bis zu 1h warten, bis der Zug kommt. Das ist einfach unrealistisch.

Das ist die Hauptkomponente, weswegen ...
Müsst ihr trotzdem ein Auto haben, sei es für den Fall, dass mal wieder alles zusammenbricht, oder weil ihr Orte erreichen müsst, die schlecht/nicht angebunden sind?
Ich sage: Bei uns geht's mit den Kindern nicht anders. Der eine im Kindergarten, der andere in der Schule.
Fahre ich mit den Öffentlichen, zahle ich einen Großteil nochmal oben drauf, muss mich mit den Kindern mehr auf's Wetter einstellen und bin länger unterwegs.
Ein Arbeitsweg inkl. Kinder weg bringen:
  • Mit Auto: 45 Min.
  • Mit ÖPNV: ~ 1:30h

Als ich noch 75km Fahrtweg hatte, in die nächst größere Stadt (Erfurt), hat ÖPNV drei Jahre lang sehr gut funktioniert: Dort habe ich mit dem Auto nichts gespart, die Anbindung war gut und direkt, vllt. war es sogar etwas günstiger. Dort war ich zwar etwas länger unterwegs, konnte in der Bahn aber Sachen aufarbeiten & abschließen, die ich dann nicht mit ins Büro oder nicht mit nach Hause genommen habe. Manchmal habe ich eine Stunde Arbeitszeit vom Büro auch mit in den Zug genommen. Das war dann die optimalste Lösung, denn da konnte ich das Auto am Bahnhof stehen lassen. Mit Fahrrad wäre das, auch wegen der Kinder, wieder keine Option gewesen. Wobei mein Fahrrad auch nur an drei Tagen am Bahnhof stand: Dann wurde jemand anderes der Eigentümer — zumindest aber der neue Halter. ;)
 
Ich fahre seit mehreren Jahren mit dem Rad zum Bahnhof und habe noch immer dasselbe. (Obwohl der Fahrradklau in Grenznähe etwas ausgeprägter ist.)
Aber hier gibt es einen Fahrradparklplatz mit stabilen Fahrradständern, an die man sein Rad anschließen kann.

Radfahren finde ich eine gute Option. Eigentlich. Ich wohne in einem Tal, aus dem ich erstmal heraus muss. Und nehme zur Uni in der Regel viel mit: Rechner, Verpflegung, so dies und das...

Ja, an die Zeit mit kleinen Kindern erinnere ich mich noch gut.
Damals hatten wir zeitweise sogar 2 Autos, ohne wäre es nicht gegangen.
 
Damals hatten wir zeitweise sogar 2 Autos, ohne wäre es nicht gegangen.
Haben wir auch. Der eine ist zu 80% vor Ort, reist aber mal zu abgelegenen Seminaren, der andere pendelt. Würden wir beide in der Stadt arbeiten, hätten wir, logischerweise, nur ein Kfz. Dafür vllt. noch ein Fahrrad oder Anhänger mehr.
 
Wollte schon was zu E-Mobilität und Anti-Auto-Kampagnen schreiben, aber das geht ja am Thema vorbei.
Ich fasse mich kurz. Ich wohne 15 km von meiner Arbeitsstätte entfernt. Dafür benötige ich mit dem Auto ~20 min. während ich mit der Bahn+Straßenbahn+Fußweg inkl. Wartezeiten ~1 Std. benötigen würde. Hinzu kommt, dass ich Amok laufen würde, wenn ich aufgrund von Streik, Schlechtwetter, generellen Bahn Ausfall oder Sonstigem nicht oder verspätet auf der Arbeit erscheinen könnte. Über Umwelt, Belastung und Verringerung sage ich mal nichts, außer das unsere Betrüger-Diesel nun als Schnäppchen in den Nachbarländern rum tuckern. :laugh:
 
Ich habe garnichts gegen Autos. ;)
Meiner Ansicht nach brauchen wir eine sinnvolle Kombination aus ÖPNV und Individualverkehr (das schließt Autos nicht aus).
Aber der ÖPNV muss gut und günstig sein, damit der Individualverkehr verringert wird (werden kann).

E-Mobilität ist auch ein interessantes Thema @schalabenjo. Ebenso wie selbstfahrende Fahrzeuge. Aber, wie du schon sagst, an dieser Stelle geht es mir um den ÖPNV.
 
Es wird viel diskutiert über Klimaerwärmung, Umweltverschmutzung, Feinstaub, ...
Und es gibt viele kleine Puzzleteilchen, mit denen wir alle etwas tun können, wenn wir wollen. Nur wird es uns nicht immer leicht gemacht.
Amen!

Die Bahn ist notorisch unzuverlässig.
Züge sind verspätet oder fallen aus (wie überall?), manchmal enden sie unvermittelt irgendwo auf der Strecke. Fahrgäste werden aus dem Zug geworfen und stehen verloren am Bahnhof. Vielleicht gibt es einen Hinweis "Bitte nehmen Sie den nächsten Zug" aber oft nicht mal das.
Das ist hier im Stuttgarter Raum nicht anders. Dran wird sich auch nichts ändern, warum auch?

Ich fahre deshalb mit der S-Bahn nach Stuttgart, weil der Berufsverkehr erst recht keinen Spaß macht. Zum Bahnhof fahre ich mit dem Auto, mit dem Fahrrad wäre mir das zu gefährlich - sowohl was Unfälle als auch Diebstahl betrifft.
 
Aber der ÖPNV muss gut und günstig sein, damit der Individualverkehr verringert wird (werden kann).
Mich kostet der Spaß über 1300€ im Jahr, aber das ist billiger als mit dem Auto. Das blöde am ÖPNV ist die schlechte Zuverlässigkeit und die Tatsache, dass der Zeitweise überfüllt ist.
 
Ich wohne in einem kleineren Ort zwischen Heidelberg und Mannheim. Die ÖPNV sind theoretisch gut: Zwei Buslinien, die nach Fahrplan innerhalb von 25 Minuten in HD Zentrum sind, dann noch eine S-Bahnstation, von der aus man in sieben Minuten in HD Hbf und in 20 Minuten an Mannheim Hbf ist. Zuletzt noch ein Ortsbus. Es tut. Theoretisch.

Derzeit summieren sich aber die Baustellen in Heidelberg. Haltestellen werden verlegt, keiner kann dir sagen wohin. Hauptverkehrsknotenpunkte werden fast oder komplett gesperrt. Fahrbahnen werden verengt und auf den Radweg verlegt, der Radweg fällt ersatzlos weg. Dazu fallen einige Straßenbahn- und Buslinien komplett weg, fahren Umleitungen oder verkürzte Wege. Mein Arbeitsweg ist immer spannend und ich bin froh, dass ich Gleitzeit habe.
Zusätzlich zu den Baustellen in Heidelberg möchte die Bahn die Gleise um HD erneuern: S-Bahnen fahren verkürzte Strecken, fallen aus, lassen Stationen aus. Und keiner weiß wann, welche oder nach welchem Schema.

Das heißt für mich derzeit: Bus fahren ist Glücksspiel. Mit Pech brauche ich statt der halben Stunde anderthalb Stunden. S-Bahn? Könnte sein, dass ich am Bahnhof warte bis es Abend wird. Fahrrad? Verengte Fahrbahn, Sperrungen, viele genervte Autofahrer auf engem Raum. Ne, lieber nicht.

Mal ganz abgesehen davon, dass die Busfahrer offenbar Wetten laufen haben, wer am unfreundlichsten ist ("Sie sind nicht krank am Bein, sondern krank im Kopf." o_O)...

Wie das also grade klapp? Nicht gut. Wie es vorgesehen ist, könnte es super sein. So klappt es aber selten.

Gut ist, dass ich mit meinem Jobticket für 44€/Monat das ganze VRN-Gebiet befahren kann, was schon ziemlich praktisch ist. Eigentlich mag ich ja ÖPNV: Man erlebt immer was. Manchmal komische, krude Sachen, aber manchmal auch einfach spannend und toll.

Wenn ich mich hier über die ÖPNV ärgere, denke ich an Malta. Da funktionieren Fahrpläne anders, Busse funktionieren anders. Eine Zerreißprobe für meine deutschen Nerven :D Oder auch eine Übung in Geduld und Langmut
 
Eigentlich mag ich ja ÖPNV: Man erlebt immer was. Manchmal komische, krude Sachen, aber manchmal auch einfach spannend und toll.
Geht mir genau so. Nur die Pilgerung zum Erfurter Weihnachtsmarkt in Nov. - Dez. war immer ein Graus.
Feierabend, gestresst vom Projekt, betrittst Du die Bahn, die gefüllt ist mit Glühwein-Aroma und mit Menschen, die noch mehr gefüllt sind. :D
 
@Mathilda das klingt so ähnlich, wie hier gerade.
Manchmal bin ich froh, wenn ich einfach nur "nah dran" auskomme. Glücklicherweise bin ich gut zu Fuß.

Aber wenn ich pünktlich zum Klausurtermin antreten muss, kann es schon mal schwierig werden.
Momentan plane ich dafür 2 Stunden "Luft" ein (und für den Notfall ein Taxi).

Früher war die Bahn so schön pünktlich. Aber dann kam Herr Mehdorn und hat sie kaputtgespart. :(
Unsere Nachbarn kriegen es übrigens besser hin. In den Niederlanden ist die Bahn meistens pünktlich.
 
Dafür ist in Südeuropa "pünktlich im Laufe des Tages" eine adäquate Zeitangabe. Aber irgendwie funktioniert es alles. Mehr oder minder gut.
 
Naja, kommt natürlich drauf an, was man als "Funktioniert" betrachtet.

Und dass andere es auf die Reihe bekommen sollte man als Maßstab nehmen und nicht, dass andere es noch schlechter machen.

Aber auch mal was löbliches zur Stuttgarter S-Bahn: Mittlerweile gibts in manchen Zügen kostenloses WLAN und es wird deutlich öfter eine Fahrkartenkontrolle gemacht, was gefühlt auch zu einer Verbesserung beigetragen hat.
 
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