Samen richtig trocknen und lagern

Anfänger2013

Jolokiajunkie
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Kaum ist das Chilifieber ausgebrochen schon sammelt sich durch Kauf, Tausch oder Eigenproduktion immer mehr Saatgut an. Schnell hat man mehr Saatgut als man im nächsten Jahr anbauen kann.

Wenn man ein paar Regeln beachtet kann Chilisaatgut viele Jahre lang mit hohen Keimquoten gelagert werden.

Leider sind diese Regeln nicht allen bekannt und so gibt es im Frühjahr viele Enttäuschungen, wenn der Samen nicht keimt.



Samengewinnung:
  • Samen möglichst aus vollreifen aber nicht überreifen Früchten nehmen.
  • Möglichst keinen Samen aus beschädigten oder schimmligen Früchten nehmen.
  • Bei der Samenentnahme möglichst sauber arbeiten um die Samen nicht mit Bakterien oder Pilzen zu verunreinigen.


Samentrocknung:
  • Samen am Anfang ausgebreitet trocknen, damit der Samen möglichst schnell so weit trocknet, dass sich keine Bakterien ansiedeln können.
  • Samen langsam trocknen
  • Nicht in der Sonne trocknen. Die UV-Strahlung schädigt die Gene.
  • Samen nicht deutlich erwärmen (Heizung, Dörrer usw. sind nicht empfehlenswert!)
  • Samen sehr gründlich trocknen


Samenlagerung:

Die (Harrington’s Rule) lautet, dass die Samenhaltbarkeit sich verdoppelt bei jede Reduktion der Samenfeuchtigkeit um 1 %.

Das bedeutet aber auch, dass die Samenhaltbarkeit sich halbiert, wenn die Samen nur ein Prozent feuchter gelagert werden, als bei optimaler Trocknung. Ist der Samen zwei Prozent feuchter reduziert sich die Haltbarkeit bereits auf ein Viertel der üblichen Haltbarkeit.

Durch gründliche Trocknung kann man die Haltbarkeit von Samen deutlich verlängern.
Wer bei der Trocknung nicht sorgfältig ist kann durch eine zu hohe Samenfeuchtigkeit die Haltbarkeit massiv senken!

Luftdichte Behälter sind optimal für sehr trockenen Samen. Wurde z.B. der Samen mit Trockenperlen auf eine besonders niedrige Feuchtigkeit getrocknet, dann ist so ein luftdichter Behälter notwendig. Für alle Anderen stellt so ein luftdichter Behälter aber eine potenzielle Gefahr dar. Wenn der Samen nicht gründlich getrocknet wurde, wird die Feuchtigkeit mit dem Samen z.B. im Zip-Beutel oder der Filmdose eingeschossen. Der Samen bleibt während der gesamten Lagerdauer feucht und die Haltbarkeit sinkt dadurch extrem. Wer Samen nur nach kurzer Trockendauer oder nach einigen Tagen mit hoher Luftfeuchtigkeit luftdicht verschließt geht das Risiko ein, dass sein Samen nicht sehr lange halten wird!

Eine luftdichte Verpackung sollte für Samen nur verwendet werden, wenn der Samen über das normale Maß getrocknet wird!


Samenlagerung für Pragmatiker

Samen mindestens zwei Wochen trocknen und dann in ein Papiertütchen geben. Diese Papiertütchen an einem kühlen und trockenen Ort (klassisch: Nachttischschublade) aufbewahren. Keine luftdichten Behälter verwenden! Das Erfolgsgeheimnis liegt in dem Papierumschlag. Verbleibende Restfeuchtigkeit, falls der Samen doch nicht so perfekt getrocknet war, kann durch das Papier austreten und der Samen trocknet mit der Zeit weiter. Es wird zwar keine extrem trockener Samen erreicht, aber doch nahe an dem, was ohne zusätzliche Hilfsmittel möglich ist.


Samenlagerung für den kleinen Nerd

Reduktion der Samenfeuchtigkeit
Mindestens zwei Wochen den Samen klassisch trocknen, danach für zwei bis 4 Wochen mit Tockenperlen weiter trocknen und dadurch die Feuchtigkeit weiter reduzieren. Dieser Samen muss jetzt luftdicht verpackt werden, da sonst die Luftfeuchtigkeit wieder den Samen Feuchtigkeit zuführt. Nur wenige Behälter sind langfristig luftdicht. Zip-Beutel oder angeblich luftdichte Vorratsdosen mit Silikonrand sind nicht geeignet! Optimal sind Behälter mit einer Gummidichtung. z.B. 5ml (reicht für ca. 500 Samen, habe gezählt:rolleyes: ) Laborflaschen mit Schraubdeckel und Gummidichtung. Erstaunlich dicht sind auch 20ml Kümmerling- und Klopfer- Fläschchen. Der Verschluss ist zwar nicht 100% luftdicht, aber aufgrund der kleinen Fläche doch annehmbar dicht.


Samenlagerung für den mittelgroßen Nerd

Folgende Daumenregeln lassen sich gut kombinieren und dadurch eine lange Samenhaltbarkeit erzielen.
  • die Samenhaltbarkeit verdoppelt sich für jede Reduktion der Samenfeuchtigkeit um 1 %
  • die Samenhaltbarkeit verdoppelt sich bei jeder Temperaturreduktion um 5 Grad.

Samenlagerung wie bei dem kleinen Nerd aber zusätzlich wird noch die Lagertemperatur gesenkt.

Reduktion der Lagertemperatur
Mit Hilfe des Kühlschranks lässt sich leicht eine Reduktion der Lagertemperatur um 15 Grad erreichen. Damit alleine erhöht sich die Haltbarkeit des Samens bereits um ca. den Faktor 8! Problematisch ist nur, dass im Kühlschrank eine hohe Luftfeuchtigkeit herrscht. Ein nicht luftdichtes Gefäß und schon ist der Samen verloren. Die Lösung ist ein zwei Schleusen System. Die Fläschchen werden z. B. in ein Einmachglas mit Gummidichtung gegeben in dem sich einige Farbwechsel-Trockenperlen befinden. Diese Trockenperlen wechseln deutlich sichtbar die Farbe von z.B. orange nach grün, wenn die Luftfeuchtigkeit im Einmachglas steigen sollte. Da die Fläschchen auch luftdicht sind, besteht selbst in diesem Fall für die Samen keine Gefahr und man kann in Ruhe sich um die undichte erste Schleuse kümmern. Ein 2 Liter Einmachglas passt z. B. in das kleine Gemüsefach meines Kühlschranks, das ich sowieso nicht benütze.


Samenlagerung für den großen Nerd

Es gilt alles was der "mittelgroße Nerd" macht, bloß die Lagertemperatur wird auf minus 18 Grad gesenkt. Das zwei Schleusen System hat im Tiefkühltruhe nicht nur die Aufgabe die Luftfeuchtigkeit niedrig zu halten, sondern dient auch dazu die Temperatur konstant zu halten. Die Tiefkühltruhe wird regelmäßig geöffnet und es werden auch Lebensmittel in die TK-Truhe gelegt, die erst gekühlt werden müssen und die Temperatur in der Umgebung anheben. Die beiden Glasschichten speichern die Kälte und senken die Wahrscheinlichkeit das der Samen auftaut und spätere wieder einfriert.

Wenn der große Nerd sich richtig ausleben will, dann füllt er die Samenbehälter mit CO2 um den Sauerstoff zu verdrängen, der als Oxidator die Samen schädigen kann. Samen produzieren bei der Lagerung Ethylen-Gas, dass in regelmäßigen Abständen entfernt werden sollte.

Alles weitere findest der "Große Nerd" in den Standards für Gendatenbanken:
http://www.fao.org/docrep/meeting/022/MB179E.pdf?



PS: Aufgrund von schlechten Erfahrungen empfehle ich gekauftes und getauschtes Saatgut immer nachzutrocknen! Auch Saatguthändler schlampen zum Teil bei der Trocknung und Lagerung.



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Die wissenschaftlichen Grundlagen:

Es gibt viel Interessante Forschungsberichte, recht einfach ist es in dem Artikel „Seed longevity - slides and notes“ des Royal Botanic Gardens, zusammengefasst.
http://www.demeter.org.es/pdf/guias/en/ppcont_018480.pdf

Für die, die kein Englisch mögen, hier die wichtigsten Punkte:

Was passiert bei der Samenalterung?
• Die Enzymakitivtät wird reduziert
• Die Zellmembran wird undicht
• Genetische Schäden entstehen
Die Samenalterung findet allmählich aber kumulativ statt und führt erst zu einer sinkenden Keimrate und letztendlich zu Tod des Samens.


Samen reagiert unterschiedlich auf Trocknung und Lagerung bei niedrigen Temperaturen:

Chilisamen gehört zur Kategorie der orthodoxen Samen.

Lagerverhalten
Orthodox: Samen kann ohne Schaden getrocknet werden. Gewöhnlich deutlich unter einem Feuchtigkeitsgehalt, der in der Natur auftreten würde. Die Langlebigkeit des Samens erhöht sich mit der Reduktion von sowohl der Feuchtigkeit als auch der Lagertemperatur in einer bezifferbaren und vorhersehbaren Weise für ein breites Spektrum an Lagerbedingungen. (http://data.kew.org/sid/storage.html)

Daten der „ Seed Information Database“: (http://data.kew.org/sid/sidsearch.html)

Capsicum annuum L.
Storage Behaviour: Orthodox
Storage Conditions: Viability is halved after 4 years open storage (Ewart, 1908). Seeds maintained for 2-4 years in commercial storage conditions (Priestley, 1986). Average germination change 74 to 16%, mean storage period 28 years, 4 lots stored at NSSL, Fort Collins (initially at 5°C with <40% r.h. for 15 years, then hermetically at -18°C), p50= 27 years (Roos & Davidson, 1992)

Capsicum frutescens L.:
Storage Behaviour: Orthodox
Storage Conditions: Orthodox; 69% germination following 28 years storage at room temperature (Harrington, 1972); initial germination 93% with seeds at 6.2% mc, 93% germination after 180 days storage in liquid nitrogen (Stanwood& Roos, 1979); seeds not damaged from exposure to liquid nitrogen (Stanwood & Bass, 1981); no problem for long-term storage under IPGRI preferred conditions (SSLR)

Capsicum annuum var. glabriusculum
Storage Behaviour: Orthodox
Storage Conditions: 100 % viability following drying to mc's in equilibrium with 15 % RH and freezing for 24 days at -20C at RBG Kew, WP


Was beeinflusst wie lange orthodoxer Samen gelagert werden kann?
• Samenfeuchtigkeit
• Lagertemperatur
• Ursprüngliche Samenqualität
• Pflanzensorte


Samenfeuchtigkeit und Haltbarkeit
Eine Daumenregel (Harrington’s Rule) lautet, dass die Samenhaltbarkeit sich verdoppelt für jede Reduktion der Samenfeuchtigkeit um 1 %


Lagertemperatur und Haltbarkeit
Eine Daumenregel (Harrington’s Rule) lautet, dass sich die Haltbarkeit verdoppelt bei jeder Temperaturreduktion um 5 Grad.



Wer es genau ausrechen will:
full

(Ellis & Roberts, 1980)
Ein Rechner für die Formel gibt es hier, die Daten für Capsicum annuum sind recht schwer zu finden, deshalb habe ich sie bereits eingetragen: http://data.kew.org/sid/viability/p...p=20&initpercent=95&finalpercent=50&constid=0
Die Daten für Capsicum annuum habe ich folgendem Aufsatz entnommen: „Derivation of Constants (K E, C W ) for the Viability Equation for Pepper Seeds and the Subsequent Test of Its Applicability “
http://hortsci.ashspublications.org/content/44/6/1679.full



Die Schlussfolgerung:

Trocknen ist wichtiger als das Lagern bei niedrigen Temperaturen!

Für eine optimale Langzeitlagerung muss als erstes der Samen optimal getrocknet werden und erst dann kommt die Kühlung des Samens.

Bei der Kombination Trocknung und Einfrieren ist eine Lagerung selbst für die nächste Generation kein Problem.


Literatur:
- Geniale Seite zu diesem Thema, nach kurzer Zeit beherrscht man die nötigen Fachbegriffe: http://data.kew.org/sid/storage.html
- Wer seine eigene Gendatenbank gründen will findet hier die Standards: DRAFT REVISED GENEBANK STANDARDS FOR THE CONSERVATION OF ORTHODOX SEEDS www.fao.org/docrep/meeting/022/MB179E.pdf?
- Auf deutsch aber etwas schwach: Langzeitlagerung von Saatgutproben in „ultra dry seed storage“ zur Lagerung pflanzengenetischer Ressourcen in Genbanken https://opus.uni-hohenheim.de/volltexte/2012/713/pdf/Dissertation_QiYang.pdf


Dieser Beitrag basiert hauptsächlich auf folgendem Thread:
https://chiliforum.hot-pain.de/thre...exkurs-opt-samenlagerung-beitrag-22-35.17257/
 
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Reis ist in diesem Fall nicht geeignet!

Ziel ist es die Luftfeuchtigkeit unter 10% zu senken. Reis ist nur sehr schwach Hygroskopisch.
Wenn überhaupt, dann ist es notwendig den Reis vor dem Einsatz einige Stunden in einem Dörrer zu trocknen. Nur dann kann er die Luftfeuchtigkeit etwas senken.
Reis aus der Küche senkt überhaupt nicht die Luftfeuchtigkeit, da er bereits vor langer Zeit so viel Wasser aufgenommen hat, wie es der Luftfeuchtigkeit entspricht.

Silikagel ist billig und kann im Dörrer jederzeit wieder aktiviert werde.
Ich empfehle ausdrücklich Silikagel mit einem Farbindikator. Nur so erkennt man, ob dass Silikagel noch trocknen kann oder bereits mit Wasser gesättigt ist.
Die Kapazität von Silikagel schwindet mit steigender Wasseraufnahme, daher sollte nur sehr trockenes Silikagel verwendet werden.
 
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Sehr schöner Beitrag, Andreas!:thumbsup:
Die wesentlichen Grundlagen zur Samentrocknung hattest du mir ja persönlich beim Erntetreffen in Oberursel "verklickert", aber so niedergeschrieben ist es natürlich eine schöne Erinnerungsstütze! Toll auch die Links zur weiteren Vertiefung des Themas!:thumbsup:
 
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Reaktionen: mph
Ich habe extra Chilibuch gekauft, sehe es aber hier, es wäre nicht nötig gewesen :happy:, super Beitrag Anfänger2013 Danke!
 
KC-Trockenperlen werden von BASF hergestellt. Bei anderen orangefarbenen Trockenperlen weißt du nicht mit welchen Chemikalien die hergestellt worden sind. Da ich damit auch mein getrockneten Chilis und Chilipulver nachtrockne, ist mir das wichtig.

https://www.amazon.de/KC-Trockenperlen®-Orange-Chameleon®-Dose-regenerierbar/dp/B00A2NXOJ4/ref=sr_1_1?s=ce-de&ie=UTF8&qid=1511003547&sr=1-1&keywords=KC-Trockenperlen
Sollte für den Rest deines Lebens reichen! Ist aber auch nicht zu viel, da du ja nicht dauernd das gesättigte Silica im Trockner in kleinen Mengen regenerieren möchtest. So kannst Du die gesättigten Säckchen sammeln und ein- bis zweimal im Jahr alle auf einmal regenerieren.

Die Silicaperlen in den dichten Beuteln haben den Nachteil, dass diese Beutel meist so konstruiert sind, dass sie nicht viel Feuchtigkeit auf einmal durchlassen. Der Fernseher soll ja während des gesamten Transports getrocknet werden. Das geht nicht, wenn die Kügelchen schon nach einer feuchten Nacht ihre gesamte Speicherkapazität aufgebraucht haben. Für unseren Zweck ist das nachteilig.

Ich habe mir kleine Säckchen aus Pollenschutzvlies gebastelt. Damit geht das Trocknen sehr schnell. Die Farbe ist weiterhin sichtbar und die Päckchen haben unterschiedliche Größe, so dass die gut für unterschiedliche Mengen/Zwecke eingesetzt werden können.
 
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Das ist mir zu viel und zu teuer.
Für die paar Samen die ich habe reicht meine Methode wohl auch so. Ich habe die in selbst gefalteten Apothekerbriefchen und die wiederum in einer kleinen, wasserdichten Kunststoffbox. Und damit ab in den Kühlschrank.
 
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