Capsazepine

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wo sind die Chemiker?!
so ein Gesundes brennen im Mund/rachen raum ist super, darunter allerdings manchmal zu heftig:mad::whistling::grumpy:
 
Naja, die erste Publikation stammt aus 1992. Obs es Novartis patentiert hat müsste man erst nachsehen. Es liegt beim Hersteller die Substanz zu vermarkten (incl. den teuren und zeitaufwendigen Zulassungsprozess). Bisher hat man nicht viel davon gehört, das Interesse dürfte gering sein. Vielleicht kennt ja jemand wen bei Novartis und fragt nach. Die allgemeine Pressestelle wird vermutlich wenig hilfreich sein.
 
http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2003/1094/pdf/KrauseUlrich-2002-12-13.pdf
Capsazepin
Capsazepin (CPZ, Sigma-Aldrich Chemie GmbH, Deisenhofen, Deutschland) ist der bisher einzige, kommerziell erhältliche kompetetive Antagonist des Capsaicinrezeptors. Im Gegensatz zu den Agonisten Capsaicin und RTX ist es keine natürlich vorkommende Substanz, sondern wurde im Rahmen eines Forschungsprogramms des Novartis Institute for Medical Research in London entwickelt (Bevan et al., 1992). Allerdings hemmt CPZ nicht ausschließlich den Capsaicinrezeptors, sondern blockiert in den notwendigen mikromolaren Konzentrationen auch spannungsabhängige Calciumkanäle (Docherty et al., 1997) und nikotinische Acetylcholinrezeptoren (Liu & Simon, 1997). Die Existenz CPZ–unempfindlicher Vanilloidrezeptoren beschrieben Liu et al. (1998) für sensorische Neurone des Trigeminalganglions. Aufgelöst wurde CPZ, das ein Molekulargewicht von 376.9 hat, in Dimethylsulfoxid (DMSO) zu einer Stammlösung mit einer Konzentration von 10⁻² M.

http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=27174
Vanilloid-Rezeptoren
Vor einigen Jahren wurde der Vanilloid-Rezeptor VR1 als das molekulare Target für Capsaicin identifiziert (25). Es handelt sich um einen exzitatorischen, nicht-selektiven Calciumionen-präferierenden Kationenkanal, der durch Nozizeptoren exprimiert wird. Er spielt eine wichtige Rolle bei der Detektion und Integration von Schmerz infolge von thermischen (Temperaturen > 43 °C) und chemischen Stimuli. So wird er beispielsweise bei einem niedrigen pH-Wert (durch eine hohe Protonenkonzentration) aktiviert.
Der Agonist Capsaicin produziert über diesen Rezeptor ein initiales, brennendes Gefühl. Erst nach mehrmaliger Anwendung kommt es zur Analgesie. Dieses bereits im Vorfeld beschriebene Phänomen beruht auf Downregulation des Rezeptors nach sich wiederholender Aktivierung. Der duale Effekt führt zu einer schlechten Patientencompliance. Folglich wird nach neuen Substanzen gesucht, die antagonistisch am VR1-Rezeptor angreifen oder zumindest eine verminderte agonistische Wirkung besitzen.
Starke antagonistische Eigenschaften am Vanilloid-Rezeptor zeigt Resiniferatoxin, ein Inhaltsstoff der Kaktus ähnlichen Pflanze Euphorbia resinifera. Klinischen Studien zufolge zeigt der Einsatz von Resiniferatoxin bei diabetischer Neuropathie ein wesentlich günstigeres Wirkungsprofil als die Gabe von Capsaicin. Die Schmerzlinderung ist wesentlich stärker und die Wirkdauer erhöht. Die initial eintretenden brennenden Oberflächenschmerzen sind deutlich reduziert (37).
Capsazepin, ein weiterer Antagonist am VR1-Rezeptor, besitzt in verschiedenen Tiermodellen eine analgesierende Wirkung. Zwei partielle Agonisten am Capsaicin-Rezeptor, Nuvanil und Olvanil, haben ebenfalls analgetische und antiinflammatorische Effekte. Von Vorteil ist die Möglichkeit der peroralen Applikation. Nachteilig hat sich vor allem bei Olvanil eine schwerwiegende Hypothermie erwiesen. Insbesondere Nuvanil führt bei thermischen Hyperalgesien und Allodynien zu einer Verbesserung des Schmerzzustandes (12).
 
Jeder sollte so scharf essen wie er es verkraften kann, ganz einfach. Medikamente gegen freiwillig verabreichte Chilis?:cautious:
 
Hast natürlich recht, dass das beste Aroma meist von höllischer Schärfe begleitet wird. Irgendwelche Mittel würde ich aber trotzdem nicht nehmen nur um das besser genießen zu können. Chinensen Züchtungen mit richtig gutem Aroma und mittlerer Schärfe, das brauchen wir noch ;)
 
Aber sind Schmerzen nicht ein Warnsignal des Körpers? Ich bin kein Mediziner aber Schmerzen sollen uns doch vor Schaden bewahren. Wie sieht das denn aus wenn einer der nie etwas scharfes gegessen hat dann nach so einem "Schmerzmittel" eine bhut jolokia isst? Nimmt die Zunge das capsaicin dann nicht auf oder was geschieht dann? Gibt es dennoch Verbrennungen im Mund oder wie darf ich mir das vorstellen?
 
Aus aktuellem Anlass (Vielen Dank nochmal!) habe ich mich ein wenig über Resiniferatoxin eingelesen und seit der Eröffnung dieses Threads wurden einige Fortschritte gemacht:

Resiniferatoxin (RTX), ein ultrapotentes Analogon des Capsaicins, wird intensiv in der Schmerztherapie erforscht. Seine Fähigkeit, den TRPV1-Rezeptor zu aktivieren, führt zur Desensibilisierung von Schmerzrezeptoren, was es zu einem vielversprechenden Kandidaten für die Behandlung chronischer Schmerzen macht.

Klinische Studien und Anwendungen:
  • Phase-III-Studien bei Kniearthrose: Im August 2022 initiierte das Pharmaunternehmen Grünenthal globale Phase-III-Studien, um die Wirksamkeit von RTX bei der Schmerzlinderung im Zusammenhang mit Kniearthrose zu evaluieren.

    grunenthal.de

  • Behandlung von Blasenüberaktivität: RTX wurde intravesikal verabreicht, um die Blasenkontinenz bei Patienten mit idiopathischer und neurogener Detrusorüberaktivität zu verbessern.

    pmc.ncbi.nlm.nih.gov
Aktuelle Forschungsergebnisse:
Ein im Jahr 2023 veröffentlichter Übersichtsartikel betonte das breite therapeutische Fenster von RTX, das eine vollständige Desensibilisierung der Schmerzempfindung und der neurogenen Entzündung ermöglicht, ohne inakzeptable Nebenwirkungen zu verursachen.
pmc.ncbi.nlm.nih.gov

Allerdings ist es nicht nur lebensgefährlich sondern auch reichlich sinnlos, zu versuchen aus einer Wolfsmilch eine Chilisauce-auf-Steroiden zu machen. Zunächst enthält die Wolfsmilch nicht nur das Resiniferatoxin sondern auch einige andere ungemütliche Stoffe, man müsste also unter heftigsten Selbstschutzmaßnahmen erstmal mit komplexem Equipment das Resiniferatoxin aus dieser Brühe extrahieren. Hätte man es dann vorliegen, würde die Wirkung weit über die reine Schärfe hinausgehen und dauerhafte Nervenschädigungen verursachen. Diese sind in der obigen Schmerztherapie natürlich gewollt, in der Chilisauce absolut NICHT.

Also egal ob man auf einer Wanderung in südlichen Ländern an Wolfsmilch-Feldern vorbeikommt oder hier zu Zierzwecken eine Euphorbia Resinifera auf der Fensterbank hat: Haltet Abstand zu ausgetretenem Saft und freut euch darüber, dass wir mit Capsaicin einen Stoff haben, der scharf ist, ohne die Nerven dauerhaft zu zerstören.
 
Rein zufällig habe ich gerade viele Euphorbia-resinifera-Pflanzen abzugeben, eine kaktusartige Euphorbia, die auf keiner Chilihead-Fensterbank fehlen sollte (schreibt mir eine kurze Nachricht!). Natürlich nur zum Angeben, auf keinen Fall zum Einnehmen. RTX ist eine von hunderten unterschiedlich giftigen Substanzen in der Pflanze und ist 1000-mal schärfer als Capsaicin!
Capsazepin ist sozusagen das genaue Gegenteil - es ist ein Stoff, der die Schärfewirkung blockiert, man könnte also (theoretisch) eine Mundspülung für Angeber oder eine Anti-Cap-Cramp-Tinktur entwickeln... Aber wie oben geschrieben, Capsazepin wurde nicht im Menschen getestet und hat potenziell auch andere, unerwünschte Wirkungen.
 
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