Hobbygärtnerei und Wissenschaftlichkeit

balkonista

Chiligrünschnabel
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Hallo alle zusammen!

Ich habe dieses Forum etwas durch Zufall gefunden bei meinen Recherchen und mich spontan mal angemeldet! Ich wusste nicht genau wohin ich das jetzt packen sollte aber ich dachte mir vielleicht passt das hier ja am besten :)

Ich bin ein relativer Anfänger was Balkongärtnern angeht und habe dieses Jahr das erste Mal Tomaten, Chillis und Paprika auf meinem Balkon. Als jemand der tendenziell etwas wissensgierig ist habe ich mich seit Anfang der Saison mal durch das Internet geschlagen und versucht mir verschiedene Tipps und Tricks zu Problemen, Vorgehen etc bei der Anzucht anzueignen.

Was mich etwas überrascht hat ist, dass es beim Thema Hobbygärtnern relativ viele Unstimmigkeiten und Unklarheiten gibt bzgl Problemen oder Tipps. Manche sagen dies, manche jenes aber so eine richtig fundierte Erklärung scheinen viele Quellen nicht zu haben bzw widersprechen sich sogar teilweise gegenseitig. Manche schwören auf bestimmte Mittel, andere sagen das kommt denen nicht rein etc und jeder hat etwas andere Erklärungen die irgendwie alle nicht so richtig auf solidem Fundament gebaut scheinen. Es gibt relativ viele anthroposophische Tendenzen (was ja per se nicht unbedingt schlecht ist) was vieles angeht aber mich hat es dann doch etwas stutzig gemacht dass es insgesamt dann doch etwas...ungründlich und unwissenschaftlich ist, was mich ja immer etwas unzufrieden lässt, wenn man bestimmten Sachen auf den Grund gehen will.

Ich selber habe dann angefangen auch mal eher auf der wissenschaftlichen Ebene nachzuschauen, was die ganzen Sachen angeht, schließlich sind Hobbygärtner ja nicht die einzigen, die an bestimmten Problemlösungen bei Tomaten oder Chillis etc interessiert sind.
Google scholar bietet da eine super Möglichkeit sich einen Einblick zu verschaffen. Die amerikanischen agricultural extensions an den ganzen bundessaatlichen Universitäten sind auch eine solide Resource da die tatsächlich auch kommerzielle Farmen unterstützen.

Manchmal stellt man dann fest, dass bestimmte Dinge, die praktiziert werden, eine falsche oder unvollständige Erklärung haben, manchmal kaum bzw gar keine wissenschaftlich erklärbare Grundlage haben, fehlinterpretiert werden oder sogar gänzlich falsch sind.

Ich würde ja gern mal andere dazu hören. Wie seht ihr das so?
 
Halli, hallo, hallöchen.
Ich fühle deinen Schmerz.
Viel wurde untersucht, viel rausgefunden, viel widerlegt.
Zum Einen ist es sicher Glaubensfrage, was taugt und was nicht. Zum anderen bleiben Chilis eben einfach Lebewesen, die es mal besser und mal weniger gut finden. Und genau das mach die Sache so spannend, und hält mich bei der Stange. Da kann man nich so ein optimales Substrat und die subjektiv beste Nährwerteinstwllung haben. Da kommt ein kalter, verregneten Sommer, und bumms, alles ist plötzlich flasch 🤪
Trotzdem Spaß zu haben, und neugierig zu bleiben, das ist die Kunst!
 
Kommt darauf an, was du unter "Wissenschaftlichkeit" verstehst. Auch in Journals steht viel Blödsinn. Und in vielen Publikationen merkt man, dass die Autoren schlichtweg keine praktische Erfahrung haben und andere Quellen nicht überprüft haben. Das ist nicht nur bei Chilis so.
Was will man zb. wissen - zu welcher Art gehört die Sorte? Eine neue Art? Eine Kreuzung? Gentechnische Untersuchungen werfen viele Lehrmeinungen über den Haufen.
Welche Anbaubedingungen? Naja, was will man haben - viel Ertrag und einheitliche Früchte um sie gut vermarkten zu können. Oder lieber auf Geschmack setzen?
Welches Klima, kann man sie direkt ins Freiland setzen, oder stehen sie den Großteil der Saison im Glashaus? Welche Sorte - die von der Saatgutlobby oder doch lieber Sortenvielfalt. Wieviel Arbeit kann/will man reinstecken - einfach wachsen lassen rund um die Uhr Unkraut jäten, gießen, ausschneiden...
Wann soll man gießen - in der Früh, am Abend - für jede Variante gibt's ausführliche Erklärungen warum das die beste Lösung ist - man könnte auch gießen wenn man Zeit hat (und aus Erfahrung rausfinden, dass es völlig wurscht ist, Hauptsache die Pflanzen bekommen ihr Wasser)
Welche Schädlinge kommen vor, wie will man sie behandeln? Bio oder mit der Chemiekeule?

Da viele Universitäten von privaten Geldmitteln abhängig sind, wären die für mich nicht unbedingt die Adresse der Wahl.

Stöbere mal durchs Forum, so mancher Hobbygärtner macht, beobachtet, berichtet hier praxisrelevante Versuche, die so manche wissenschaftliche Publikation in den Schatten stellen.

Ausprobieren führt hier oft schneller ans Ziel. Und es gibt auch nicht nur einen richtigen Weg. Stures Lehrbuchwissen klappt nur, wenn man es unter exakt definierten Bedingungen wiederholen kann. Das klappt aber nicht in der freien Natur.
 
Das "Problem" bei dem Hobby was die Wissenschaftlichkeit angeht ist ja, dass die Anbaubedingungen niemals identisch sind. Sowohl bei Leuten untereinander als auch bei einer Person pro Saison. Wenn ich jetzt 2020 Dünger A ausprobiert habe und 2021 Dünger B und die Chilis 2020 besser gewachsen sind, dann lag es vermutlich nicht am Dünger sondern eher am Wetter. Und auch jemand in Bremerhaven hat nicht die gleichen Wetterverhältnisse wie jemand aus Niederbayern. Ich denke die Basics kann man wissenschaftlich halten, z.B. dass die Wasserhärte in einem bestimmten Bereich sein sollte, aber da keiner in einem abgeschlossenen System mit 100% Kontrolle über die Umweltbedingungen arbeitet, wird man niemals so rein wissenschaftlich arbeiten können, wie man es in Laboren kann, also kann man viel auch schon wieder vernachlässigen. Vielleicht kann ich durch eine optimale Düngermischung wirklich 10% mehr Ernte herauskitzeln, aber sobald ich mal einen komplett verregneten Monat habe ist das auch schon wieder komplett irrelevant.

Aber ist ja eigentlich schön zu sehen, dass so viele Wege nach Rom führen, fast egal wie man es macht. Einfach ausprobieren und mit jeder Saison mehr Erfahrungen gewinnen und so irgendwann seinen optimalen Anbauweg finden, ob mit nachgemessenem Kunstlicht und exakt abgestimmtem Dünger mit perfektem pH-Wert oder mit Nordseitenanbau und Düngung mit Pferdemist, hauptsache es wächst und man hat Spaß dabei ;)
 
Was ich als größtes Problem im Hobby Bereich seit Jahren sehe ist das viele Neulinge viele Möglichkeiten der Kultivierung durchlesen weil die ja Erfolgreich starten wollen dann aber verschiedene Methoden und Material wild mischen und damit ihr eigenen Misserfolg herbeischwören.
Für Anfänger ist meine Empfehlung immer haltet es einfach und nehmt euch nur eine Methode als Vorbild und haltet euch möglichst dran.
Chilis anzubauen ist kein Hexenwerk und es muss nicht unnötig kompliziert gemacht werden.

Achja und wie immer Äpfel sollten nicht mit Birnen verglichen werden.
 
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