Wie funktioniert Gefriertrocknung?

G

Gelöschtes Mitglied 18410

Gast
Jetzt versuche ich mal Gefriertrocknung einfach zu erklären ...

Die Grundlage dieser Art der Trocknung ist die Tatsache, dass eine Druckänderung Auswirkung auf das Wasser hat. Zum einen können die Übergänge der Aggregatzustände in der Temperaturskala verschoben werden, zum anderen kann die Temperatur über den Druck gesteuert/verändert werden.

Beispiel "Überdruck im Schnellkochtopf"
Ich wohne auf 214m üNN und der atmosphärische Druck liegt bei knapp 1000mbar. Wenn ich nun mein Wasser für die Pellkartoffeln erhitze, fängt es bei knapp 100°C an zu kochen. Nun verschließe ich den Schnellkochtopf mit dem Deckel und ich kann hören, wie das Wasser aufhört zu kochen. Es entsteht ein Überdruck im Topf, so dass der Siedepunkt nach oben, schätze max. 110°C, verschoben wird. Was ist aber, wenn ich den Druck verringere? Hierzu besuchen wir meinen Freund den Yeti am Mount Everest. Es ist eisig kalt und der Luftdruck beträgt nur 300mbar. Ich hole meinen Schnellkochtopf mit den Kartoffeln raus und erhitze in auf dem Lagerfeuer. Schon bei 70°C fängt das Wasser an zu kochen. 2 Stunden später sind die Kartoffeln endlich gar. Ich schenke dem Yeti meinen Schnellkopftopf, damit auch er seine Kartoffeln schneller und vor allem mit höherer Temperatur kochen kann.

Wieder zurück zu Hause schließe ich nun eine Vakuumpumpe an meinem Schnellkopftopf (der Yeti wollte ihn dann doch nicht) an. Was ist, wenn ich noch weiter runter mit dem Druck gehe? Bei 25mbar fängt das Wasser an zu kochen, ohne dass ich den Herd einschalte. Ich pumpe weiter Luft aus dem Kochtopf und erreiche 6mbar. Das Wasser gefriert plötzlich. Ups. Anstatt Wasser packe ich nun eine Handvoll Rocotos in den Topf und evakuiere wieder die Luft. Oh nein, bei 25mbar fängt das Wasser in den Chilis an zu kochen und die Frucht schlägt blasen. Mist. hm ... nächster Versuch ... Ich friere vorab die Rocotos in meiner Gefriertruhe mit -18°C ein und evakuiere erst dann die Luft bis 6mbar. Es klappt, die Chilis bleiben heile, denn Eis kann nicht kochen. Wir sind der Gefriertrocknung nun recht nahe.

Beispiel "Wäsche trocknen im Winter"
Wir haben Januar und der sonnige Wintertag begrüßt uns mit satten -10°C. Ich schaue aus dem Fenster und meine Omma hängt draussen im Schnee die Wäsche auf. Spinnt die? Nein, die Omma spinnt nicht. Zuerst gefriert das Wasser in der Jeans und dann bringen die Sonnenstrahlen das Eis zum Dampfen. Diese Eigenschaft des Wassers nennt man Sublimation, d.h. der Vorgang des Auftauens von gefroren in flüssig wird förmlich übersprungen. Sublimation ist übrigens ein anderes Wort für Gefriertrocknung bzw. der wichtigste Teil der Gefriertrocknung.

Gehen wir zurück zu meinem Kochtopf. Ich senke das Vakuum weiter auf 1mbar und die Rocotos frieren nun durch den Unterdruck / das Vakuum bei -18°C. Wie die Sonne der Wäsche Wärmeenergie zugeführt hat, ist es nun meine Raumtemperatur, die mit +20°C auf den Topf einwirkt und auch hier das Eis in den Chilis zum Verdampfen bringt. Doch was passiert mit dem Dampf ... wie kommt der aus dem Topf raus? Über die Vakuumpumpe? Nein, das würde die Pumpe auf Dauer zerstören.

Beispiel "Die Brille im Winter"
Es ist immer noch Januar und eisig kalt. Gegen 22:00Uhr gehe ich mit meinem Kumpel Willi in die Diso, in der seit 2 Stunden 200 Leute tanzen. Es ist dicke Luft. Ich betrete das Tanzlokal und sofort beschlägt meine Brille. Der Wasserdampf aus dem Raum kondensiert auf meiner kalten Brille. Der Wasserdampf mag kalte Orte und wandert förmlich in deren Richtung.

Ich nehme nun einen zweiten Schnellkochtopf und stelle diesen in meine -20°C kalte Gefriertruhe. Anschließlich bohre ich ein Loch in die Seitenwand und verbinde beide Töpfe mit einem Schlauch. In beiden herrscht nun der gleiche Luftdruck bzw Unterdruck. In einem Topf die Rocotos, die durch die Raumtemperatur Wasser verdampfen. Der andere Topf mit -20°C zieht den Wasserdampf förmlich an und an dessen Wand wird der Wasserdampf wieder zu Eis. Das nennt man Resublimation. Und wir sind nun bei der Gefriertrocknung angelangt. Am Ende ist das Wasser komplett aus den Rocotos verdampft und die Chilis nähern sich der Raumtemperatur an. Auf der anderen Seite habe ich dann die 85% Eis aus den Chilis.

Das ist jetzt Teil 1 der Gefriertrocknung. Wieso man dieses Verfahren verwendet, wo Vor- und Nachteile sind, wie die Gefriertrocknung in der Praxis aussieht, werde ich im nächsten Teil erklären. Ich bitte Euch, hier vorerst keine Kommentare zu posten, solange ich das Thema nicht beendet habe. Schickt mir Fragen einfach per PN und ich werde dann am Ende ein FAQ daraus machen.
 
Hier ist Teil 2 .... weniger Text, dafür bebildert.
Hier möchte ich Euch den Teil 1 mal in Bildern zeigen, d.h. wie sieht so ein Gefriertrockner oder Sublimator oder auch Lyophilisator aus. Meine Version mit den beiden Kochtöpfen ist theoretisch möglich und wäre sogar ein Weg, einen DIY Trockner zu bauen.
Die kleinsten GTR werden im Labor eingesetzt. Sie sind recht einfach aufbaut und man kann sich hier vorstellen, dass die beiden Töpfe direkt übereinander sind. Oben wird getrocknet und unten der Dampf bzw. das Eis aufgefangen. Das Produkt muss extern eingefroren werden.
Hier ein Foto ohne die Trocknungskammer. Unten im Gerät sitzt die Kühlung mit mind. -40°C und auch die Luft für das Vakuum wird über den unteren Teil evakuiert.
Als nächstes haben wir ein 2-Kammer-System. Links wird das Eis aufgefangen und in der rechten Kammer wird getrocknet. Bei diesem Gerät kann das Produkt sogar in der rechten Kammer eingefroren werden.
Zum Schluss noch ein Gefriertrockner mit einer Kammer. Hier ist vorne die Trocknung
und hinten die eisige Spirale, die den Dampf auffängt und sofort in Eis umwandelt.
 
Ein spannendes Thema! Danke für die schöne Erklärung:thumbsup: Wenn man sich die Preise auf der US Seite anschaut ist es jetzt leider nicht unbedingt dass, was man sich in ne kleine Gastronomie reinstellen kann, oder gibt es da noch günstigere Systeme?
 
Zumindest in den USA gibt es inzwischen Gefriertrockner für den Hausgebrauch.
https://harvestright.com/


schon sehr spannend, hätte ich auch gern, aber immer noch zu groß. Die Laborausführung ist vermutlich viel zu teuer. Für Eigenbau hab ich momentan leider keine Zeit, vielleicht gibt es ja bald mal ein "Hobby-Set". Allerdings kostet allein schon eine gute Vakuumpumpe ordentlich Geld.
 
@Iguana-Tinte bei unseren Chinesischen Freunden kann man so Dinger auch kaufen aber auch nicht günstiger. Mich würde mal eine Kostenaufstellung fürs Trocknen interessieren inklusive Anschaffungspreis der Hardware im vergleich zu ner Teuren Dörte.
 
Grundsätzlich ist die Gefriertrocknung eine Art der Konservierung, die man einsetzt, wenn das Produkt bei größerer Wärmeeinwirkung seine Eigenschaften verliert. Hierzu gehört z.B. Geschmacksverlust, Farbveränderungen, Verlust von Inhaltsstoffen (Vitamine, Eiweiß, Schärfe...). Man könnte hier schon sagen, dass die Gefriertruhe eher eine Alternative ist, als z.B. ein Dörrofen.
Dann verwendet man die GT, wenn man ein Produkt bzw. dessen vollen Geschmack an eine bestimmte Stelle haben möchte. Schwerer Satz. Hierbei kommt auch ein großer Vorteil der GT zu tage, denn gefriergetrocknete Produkte sind im Prinzip wieder regenerierbar. Ich werfe also meine gefriergetrocknete Chili in lauwarmes Wasser und innerhalb von 5min habe ich wieder eine "frische" Chilifrucht. Nein, sie ist nicht knackig. So ein Stück Möhre in der 5-Minuten-Terrine ist i.d.R. auch gefriergetrocknet. Chilis aus dem Dörrofen sind totally dead. Über ein Pulver kann ich dann die "Produktfrische" gleichmäßig verteilen (Brot, Mettwurst ...) und dies ohne zusätzliche Feuchtigkeit zu produzieren ... man könnte ja auch ein frisches Produkt nehmen.
Wie bei jeder Trocknungsart hat man auch hier natürlich eine Konzentration der Geschmacks- und Inhaltsstoffe. Aktuell werden besonders die "Superfoods" gefriergetrocknet, zu Pulver und dann zu Kaspeln verarbeitet. Ich habe im Sommer auch 5 Liter Bier getrocknet und einen Trockenrub drauss gemacht. Es wurde ein regelrechter Bierbraten, der mit einem "aus" Biermarinade nicht zu vergleichen war.
Die Gefriertrocknung hat auch Nachteile. Sie ist TEUER. Zuerst die Anschaffung des Gerätes --> Ein kleiner Laborgefriertrockner mit Vakuumpumpe und etwas Zubehör (siehe Teil 2) kostet so ab 7.500,00€. Nach oben hin gibt's dann aber keine Grenzen. Was aber noch viel schlimmer ist, ist der Energieverrbrauch, denn in der Gefriertrocknung wird gleichzeitig gekühlt und geheizt. Ein absoluter Energievernichter. Je kleiner die Kapazität des Gerätes um so höher der Energieverbrauch. Da ist dann die Frage, ob ein Gefriertrockner im Haushalt überhaupt Sinn macht. An erster Stelle sollte ja der Verzerr des frischen Produktes sein. Es gibt nichts besseres. Die Globalisierung hat auch die Gemüsesaison weggewischt. Viele Produkte sind ganzjährig verfügbar. In den USA gibt's natürlich eine große Prepper-Szene ... für die ist ein Gefriertrockner ideal.

Das reicht für heute ... Glück Auf!
 
Schön, und vor allem sehr einfach und anschaulich erklärt! :thumbsup:
Ich muss die GT normal immer nur Studis (im Chemiestudium) erklären, da kann ich etwas fachlicher halten (so mit Phasendiagrammen), aber vielleicht werde ich mir deinen Text mal abwandeln... :D

Ich nutze den GT im Labor auch ständig und bin (ab und zu) fasziniert, was Physik so alles kann... :D Obwohl ich natürlich weiß, wieso es klappt.
 
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