Welchen Dünger wann - und warum es so wichtig ist

KölnKräuter

Dauerscharfesser
Beiträge
930
Die letzten Jahre habe ich mich recht intensiv mit dem Thema "Düngen im Garten" beschäftigt, sowohl für Rasen als auch für Gemüse. Deshalb möchte ich ein paar Erfahrungswerte weitergeben, welche Düngung wann wichtig ist und warum man eben aus einer beobachteten Pflanzen-Unleidlichkeit nicht immer sieht, WAS ihr fehlt.

1. Keimphase (0–3 Wochen nach Aussaat)

Ziel: Starke Keimlinge mit gutem Wurzelwachstum
  • Nährstoffbedarf: Minimal, da die Samen die ersten Reserven enthalten
  • Empfohlene Düngung:
    • In den ersten 2–3 Wochen keine zusätzliche Düngung, da zu hohe Nährstoffkonzentrationen die feinen Wurzeln schädigen können.
    • Wenn die ersten echten Blätter erscheinen (und auch erst dann), kann man beginnen von oben eine sehr schwache (1/10 der Normaldosis) Lösung eines organischen Flüssigdüngers (z. B. Algenextrakt) oder Kompost einzuspülen. Kann man, muss man nicht.

2. Jungpflanzenphase (3–8 Wochen nach Aussaat, nach dem Pikieren)

Ziel: Kräftiges Wurzel- und Blattwachstum
  • Nährstoffbedarf:
    • Erstmalig überhaupt Stickstoff (N) für gesundes Wachstum und Blattentwicklung
    • Phosphor (P) für Wurzelbildung
    • Kalium (K) in geringeren Mengen (!) für die Zellstabilität
  • Empfohlene Düngung:
    • Organische Dünger:
      • Kompost, verdünnte Pflanzenjauche (z. B. Brennnesseljauche) oder andere langsam wirkende Dünger
    • Mineralische Dünger:
      • Wer gleich auf mineralisch umsteigen will (oder erst garnicht organisch angefangen hat) der nimmt einen auf 1/3-1/2 der empfohlenen Menge verdünnten Flüssigdünger mit einem NPK-Verhältnis von ca. 3-1-2, z. B. ein Tomaten- oder Gemüsedünger. Hier reicht 1-2 Wochen.

3. Vegetative Wachstumsphase (bis zur Blüte, ca. 8–12 Wochen nach Aussaat)

Ziel: Dichter Wuchs mit stabilen Trieben, Vorbereitung auf die Blüte
  • Nährstoffbedarf:
    • Weiterhin Stickstoff (N) für kräftigen Wuchs
    • Mehr Kalium (K) zur Stärkung der Zellstruktur
    • Magnesium (Mg) und Spurenelemente für die Photosynthese
  • Empfohlene Düngung:
    • NPK-Verhältnis von ca. 2-1-2 oder 3-1-3
    • Flüssigdünger 1x pro Woche oder Langzeitdünger mit langsamer Freisetzung
    • Mit den Alternativen wie Kompost oder Hornmehl muss man sich langsam sputen, denn sie brauchen Freisetzungszeit und wollen gut in die Erde eingearbeitet werden, sonst wirken sie nicht. Da man selten genau weiß, was drin ist, ist es leider oft ein Ratespiel ob noch Spurenelemente zugesetzt werden müssen oder nicht.

4. Blüte- und Fruchtansatzphase (nach ca. 12 Wochen, erste Blüten sichtbar)

Ziel: Förderung der Blütenbildung und Fruchtansatz, weniger vegetatives Wachstum
  • Nährstoffbedarf:
    • Schon jetzt ist dringend angesagt, Stickstoff zu reduzieren! Jetzt braucht es Phosphor (P) und Kalium (K) für Blütenbildung und Fruchtreife
    • Gerne Calcium (Ca) zur Vorbeugung von Blütenendfäule
  • Empfohlene Düngung:
    • NPK-Verhältnis von ca. 1-2-3 oder 1-2-4
    • Kaliumbetonte Flüssigdünger 1x wöchentlich (z. B. Tomatendünger)
    • Mit organischen Düngern wird es jetzt echt schwierig, denn der Kaliumbedarf ist freihand kaum richtig zu treffen. Kann gutgehen, muss aber nicht.

5. Fruchtphase (bis zur Ernte)

Ziel: Unterstützung der Fruchtentwicklung, Vermeidung von Nährstoffmangel
  • Nährstoffbedarf:
    • Hohes Kalium (K) für Aroma, Farbe und Größe der Früchte
    • Mäßig Phosphor (P) zur Energieversorgung der Pflanze
    • Weiterhin kein Stickstoff (N), um das Blattwachstum nicht unnötig anzuregen
  • Empfohlene Düngung:
    • NPK-Verhältnis von 0-2-4 (maximal 1-2-3 und das auch nur, wenn weiteres Höhenwachstum angestrebt wird, z.B. für Deko-Zwecke)
    • Flüssigdünger mit hohem Kaliumanteil wöchentlich
    • Organisch kommt man jetzt kaum noch hinterher, wenn man hohe Erträge haben will.

Zusätzliche Tipps zur Düngung von Chilis

  1. Nicht überdüngen: Besonders bei mineralischen Düngern besteht die Gefahr der Überdosierung. Zu viel Stickstoff führt zu üppigem Blattwerk, aber wenigen Früchten.
  2. Bodenqualität beachten: Lockere, humusreiche Erde verbessert die Nährstoffaufnahme.
  3. pH-Wert im Blick behalten: Chilipflanzen bevorzugen leicht sauren Boden (pH 6–6,5).
  4. Wasser mit Bedacht einsetzen: Nährstoffe werden nur optimal aufgenommen, wenn die Erde nicht austrocknet, aber auch nicht zu nass ist.
  5. Mikronährstoffe nicht vergessen: Magnesium, Eisen und Calcium sind für gesunde Pflanzen ebenso wichtig wie Hauptnährstoffe.
Nun gibt es sicher eindeutige Zeichen mit denen die Pflanze sagt, dass sie z.B. zu wenig Wasser hat - bei den Nährstoffen ist es leider nicht ganz so einfach und insbesondere "gut gemeint aber schlecht gemacht" Düngungen können zu einer Verschlechterung der Lage führen. Dies hat insbesondere damit zu tun, dass ein Überschuss bestimmter Nährstoffe tatsächlich die Aufnahme anderer Nährstoffe blockieren kann – ein Phänomen, das als Nährstoffantagonismus bekannt ist. Hier sind die häufigsten Problemfälle:

1. Zu viel Stickstoff (N) → Blockiert Kalium, Phosphor & Mikronährstoffe

  • Fördert starkes Blattwachstum auf Kosten der Blüten- und Fruchtbildung.
  • Hemmt die Aufnahme von Kalium (K) → Pflanzen werden anfälliger für Trockenstress und Krankheiten.
  • Reduziert die Verfügbarkeit von Phosphor (P) → Schwache Wurzelbildung.
  • Kann Spurenelemente wie Kupfer (Cu) und Bor (B) verdrängen.

2. Zu viel Phosphor (P) → Blockiert Eisen, Zink & Kupfer

  • Übermäßiger Phosphorgehalt bindet Eisen (Fe), Zink (Zn) und Kupfer (Cu) → Symptome wie Eisenchlorose (gelbe Blätter mit grünen Adern).
  • Kann die Aufnahme von Kalzium (Ca) und Magnesium (Mg) stören.

3. Zu viel Kalium (K) → Blockiert Magnesium & Kalzium

  • Hoher Kaliumgehalt verdrängt Magnesium (Mg) → Chlorosen (Blattvergilbung trotz grüner Adern).
  • Hemmt Kalzium (Ca) → Schwächere Zellwände, Blütenendfäule bei Tomaten und Paprika.

4. Zu viel Kalzium (Ca) → Blockiert Magnesium & Kalium

  • Überschuss an Kalzium hemmt die Aufnahme von Magnesium (Mg) und Kalium (K) → Wachstumsstörungen und Mangelerscheinungen.

5. Zu viel Magnesium (Mg) → Blockiert Kalzium & Kalium

  • Fördert lockeren Boden, kann aber Kalzium (Ca) und Kalium (K) verdrängen → schlechtere Fruchtbildung.

6. Zu viel Schwefel (S) → Blockiert Molybdän & Bor

  • Hohe Schwefelwerte (z. B. durch übermäßigen Einsatz von Gips oder schwefelhaltigen Düngern) reduzieren die Aufnahme von Molybdän (Mo) → Wichtige Enzyme werden gehemmt.
  • Kann Bor (B) verdrängen → Wichtiger für Zellwände und Blütenbildung.
Insbesondere die Stickstoff-Überdosierung kommt im Gemüseanbau sehr häufig vor und das ist dann der Klassiker für "die Pflanze mickert" => "mehr Dünger" => "die Pflanze mickert noch mehr", spätestens dann, wenn man viel Sonne und wenig Wasser ist. Da beschweren sich dann die Kunden, "die Pflanze ist super gewachsen aber hat einen Sonnentag nicht ausgehalten" => nein, sie hatte wegen falscher Düngung zuviel Blattwerk und zu wenig Wurzelwerk. Ebenfalls sieht man etwa bei jedem zweiten Rasen der im Frühjahr quasi tot ist - da wurde im Herbst nochmal der Rest vom Stickstoffdünger ausgekippt und dann steht der Rasen den Winter nicht durch.
Die Phosphor-Überdüngung kommt eher die Rasenflächen vor, das ist bei Chilis weniger ein Thema.
Die anderen Überdüngungen erlebt man oft bei kreativen Düngungen wie z.B. grundlose Asche-Düngung etc. Das sehe ich öfter in Gemüsebeeten.
Ebenso regelmäßig sind massiv abweichende pH-Werte in den Analysen, das muss unbedingt behoben werden bevor man sich mit Düngerzusammensetzungen verkünstelt.

Nun hängt die Düngung massiv am Substrat: Habe ich die Pflanzen mit 8-12 Wochen in Kompost-Erde-Mischung gesetzt, kann ich erstmal auf Düngung verzichten weil die Pflanzen sich aus dem Kompost das wenige, was sie brauchen, schon holen. Sitzen die Pflanzen in reinem Perlit oder Glaswolle, muss man wirklich immer hinterher sein. Das was ich oben geschrieben habe beizieht sich auf normale Erde.

Wer jetzt verwirrt ist und/oder das als kompliziert empfindet: Nichts lohnt sich im Garten mehr als eine Bodenanalyse. Erde ausstechen und einschicken, genaue Analyse mit Düngeempfehlung für den jeweiligen Einsatzzweck bekommen. Ich habe noch keine einzige Analyse erlebt, wo der Gärtner nicht a) komplett überrascht von den Werten war b) nachher massiv die Düngung umgestellt hat c) insgesamt deutlich weniger Geld ausgegeben hat und d) deutlich bessere Ergebnisse hatte.
Explizit abraten möchte ich von den pH-Testern aus dem Baumarkt. Gut gemeint aber das Ergebnis ist IMHO eher "Würfeln unter Aufsicht". Für wenig mehr Geld gibt es ein richtiges Ergebnis auf den man einen Düngeplan aufbauen kann bzw. meist kommt er gleich mit dem Analyseergebnis mit. Das sind dann meist nicht die quietschbunten 273.948-in-1-Dünger aus dem Baumarkt sondern schnöde Plastiksäcke die genau das enthalten was die Pflanze braucht. Ich habe für den Rasen z.B. drei Säcke Dünger im Keller und die werden je nach Jahreszeit gemischt, auch das ist aus einem Düngeplan ablesbar - einfach weil es sowas wie den immer richtigen Ganzjahresdünger schlicht nicht gibt.
 
Zurück
Oben Unten