Essig - pH-Wert bei Saucen - Wissenschaftliche Auskunft wird benötigt!

wissenschaftlich kann ich es leider nicht fundiert formulieren, also bitte den kommentar einfach ignorieren, denn er beruht nur auf erfahrung.
ich hoffe jedoch, bei der weiteren recherche anhaltspunkte liefern zu können und gehe auf diese beiden punkte näher ein:

[...]
Ist es egal, wann ich den Essig/die Essigessenz hinzugebe?[...]
  • Der pH-Wert steigt. Essig verdampft stärker als Wasser und dadurch gehen überproportional viele Wasserstoffionen verloren.
[...]

also erstens ist wasser flüchtiger als essig. der siedepunkt von wasser liegt bei 100° C, während der siedepunkt von essigsäure bei 118° C liegt ;) das ist der einzig wissenschaftliche fakt, den ich hierzu beitragen kann.
alles weitere sind folgerungen und erfahrungen:

dadurch ergibt sich wahrscheinlich, das beim vorsichtigen erhitzen zuerst das wasser verdampft und höchstens einen kleinen teil der säure beim verdampfen "mitreißt", dies könnte großteils eher ein physikalischer effekt sein.

diese vermutung habe ich, da wenn man den dampf riecht, er sauer riecht, also muss er wohl zum teil sauer sein.
meine eindeutige erfahrung: wenn man eine saure lösung einreduziert (auch ohne filter oder destille), so wird sie doch über die zeit eindeutig stärker sauer im geschmack!

davon ausgehend wäre es also nicht egal, wann man die essigessenz hinzugibt. danach sollte man zuerst den wasseranteil reduzieren und dann säure zugeben, um einen höheren säureanteil zu gewährleisten.
das ist effizienter, was die haltbarkeit angeht.

meine persönliche meinung: ich bin kein ausgemachter essigfan, aber wenn man keine essigessenz, sondern richtigen essig verwendet, sollte man ihn geschmacklich in die sauce integrieren, also den eigengeschmack des essigs entfernen oder beibehalten - denn er besteht ja nicht nur aus der enthaltenen säure, sondern hat durchaus komplexe (auch flüchtige) aromen.

vom geschmacklichen aspekt würde ich persönlich also die essigessenz nach dem reduzieren hinzugeben.
richtigen essig definitiv aber schon früh oder wenn gewünscht später zugeben, da er den geschmack - je nach sauce - beeinflusst und sich besser in die sauce integriert. durch die erhitzung über zeit können allerdings neue, geschmacksgebende komponenten entstehen, aber das ist ein sehr komplexes gebiet. und falls man sich fragt, was lebensmitteltechniker so machen: unter anderem sowas erforschen ^^

als "sicheren bereich" betrachtet man eigentlich einen ph-wert von unterhalb 4,6. wenn man eine milchsaure vergärung durchführt, sind unterhalb diesem wert die produkte relativ haltbar und stabil, je nach aufbewahrung.

wissenschaftlich belegen - wie gesagt - kann ich davon eher nichts ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
So richtig beantwortet ist die Frage jetzt eigentlich nicht oder?
Ich bin an der Antwort auch sehr interessiert, da ich in meinem Pasten Rezept auch die Essig und Zitronensäure vor dem Kochen zugebe.
Gibt's nen Chemiker inzwischen? :)
(oder hat jemand einen PH Messer und testet das einfach mal?)
 
Hallöchen zusammen, die Antwort kommt evtl. etwas spät, hilft aber möglicherweise trotzdem. ;)

Vorweg: Ich bin zwar Chemiker, aber alles weiß ich deswegen auch nicht. :laugh: Ich habe mich allerdings ein bisschen eingelesen und versuche, das jetzt mal auf halbwegs allgemeinverständlich wiederzugeben.

TL;DR (Kurzfassung)
Was passiert beim Einkochen mit dem pH-Wert?
  • Der pH-Wert bleibt [annähernd] gleich. Wasser und Essig verdunsten im gleichen Maße.

Das liegt daran, dass im Essig mit 5 wt.% (das bedeutet Gewichtsprozent, also 5 g Essigsäure und 95 g Wasser), so wenig Essigsäuremoleküle vorhanden sind, dass sie sich nicht destillativ (also mittels Verdampfen) abtrennen lassen. Das liegt an den unterschiedlichen Siedepunkten von Reinstoffen und Gemischen.



Langfassung

Dazu möchte ich erstmal ein paar Grundlagen erklären...
Wie wir alle wissen, kocht (im Fachjargon "siedet") Wasser bei Normaldruck (1 bar) bei 100°C. Das ist die Siedetemperatur.
Reine Essigsäure hat eine Siedetemperatur von 118°C, als Laie könnte man denken:
"Nun, wenn ich ein Gemisch erhitze, siedet erst das Wasser bei 100°C, bis alles weg ist und habe ich (reinen) Essig."

Genau den Gedanken hatte @Anfänger2013 hier auch:
[...]
Bei einem Essig-Wasser-Gemisch würde aufgrund der Verdunstungskälte die Temperatur lange Zeit nicht über 100 °C steigen. Also würde sich nur die Wassermenge reduzieren, aber nicht die Essigmenge.
[...]
Ist es eigentlich, aufgrund der unterschiedlichen Siedepunkte, überhaupt möglich, dass der Essig verdampft?

Leider ist es nicht so einfach. Dazu möchte ich kurz einen Exkurs zum Schnapsbrennen machen, dort ist die Sache sehr ähnlich, aber etwas anschaulicher.

Exkurs
Wasser siedet bei 100°C, Ethanol bei 78°C. Wäre die Welt einfach, könnte man einfach ein Ethanol/Wasser-Gemisch nehmen (zum Beispiel Wein mit 10% Ethanol, den ganzen Rest an Farbstoffen, und was alles drin ist, ignorieren wir mal) und das Ganze erhitzen. Der Ethanol geht bei 78°C in die Gasphase (er verdampft), solange, bis kein Ethanol mehr im Wasser ist, sondern alles verdampft ist. "Wenn ich nun den Dampf auffange und abkühle, habe ich reinen Ethanol."
Wie ihr euch denken könnt: Leider ist es nicht so einfach.

Das liegt daran, dass sich die physikalischen Eigenschaften von Reinstoffen und ihren Gemischen sehr oft unterscheiden. Für unseren Fall schaut man sich so genannte Siede-/Tau-Diagramme an, oder auch Phasendiagramme genannt.
Jeder der Schnaps brennt, oder sich schon mal damit theoretisch beschäftigt hat, weiß, dass es oft mehrere Stufen braucht, um aus Wein/Maische hochprozentigen Trinkalkohol zu machen. Schauen wir uns mal ein solches Siedediagramm von Ethanol/Wasser an.

Die untere Kurve ist die Siedekurve und sie zeigt an, bei welcher Temperatur das Gemisch siedet. Die obere Kurve ist die Taukurve, sie zeigt an, welche Temperatur, Dampf der entsprechenden Temperatur hat. Und so funktioniert nun eine (einstufige) Destillation:
Als Beispiel wird mit einer 20%igen Ausgangslösung (also 20% Ethanol und 80% Wasser) begonnen. Wir folgen also der roten Linie bei 20% nach oben zur Siedekurve. Bei 92°C beginnt das Gemisch zu sieden und geht in die Gasphase über.

Nun wird es aber spannend: Der Dampf hat nicht die gleiche Zusammensetzung!

Dadurch, dass Ethanol leichter flüchtig ist (es also leichter verdampft) geht mehr Ethanol in die Gasphase über. Wir folgen der roten Linie bei 92°C nach rechts, bis wir auf die Taukurve stoßen und gehen dann nach unten, um die Zusammensetzung zu ermitteln. Der Dampf (und damit das Destillat) hat 62% Ethanol!
Wenn wir nun dieses Destillat wieder erhitzen, folgen wir der Linie wieder nach oben bis zur Siedekurve (81°C), dann der grünen nach rechts bis zur Taukurve und wieder nach unten. Das zweite Destillat hat nun 86% Ethanol.

Wir sehen aber auch zwei "Probleme" an solch einem Siedediagramm.
1. Das Ganze geht nicht unendlich so weiter. Je weiter wir nach rechts kommen, desto enger liegen Siede- und Taukurve beieinander und so geringer ist der Unterschied zwischen Dampf- und Flüssigphase. Bei 95% etwa liegen beide Kurven aufeinander, und man kann Dampf und Flüssigkeit nicht weiter von einander trennen. hier spricht man von einem Azeotrop. Das ist übrigens auch der Grund, weswegen man über einfache Destillation keinen 100%igen Alkohol (Ethanol) herstellen kann. Bei 96,5% ist Schluss.

2. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass ich für eine erfolgreiche destillative Trennung einen möglichst großen Abstand zwischen Siede- und Taukurve benötige.

Exkurs Ende

Wir haben gerade gelernt, dass man für eine gute Trennung mittels Destillation (oder auch dem einfachen Verdampfen, wenn ich nur einer Komponente loswerden möchte) einen großen Abstand von Siede- und Taukurve im Siedediagramm benötige.

Schauen wir uns doch mal ein Diagramm für Essigsäure in Wasser an.

Die rote Kurve ist die Siedekurve, die grüne die Taukurve. Auf der horizontalen x-Achse ist der Anteil Wasser in mol% (chemische Einheit, gibt die Teilchenzahl an) aufgetragen.
An sich sieht das ganze ja ganz gut aus, und man müsste Essigsäure und Wasser per Destillation trennen können.
Wir haben nur ein Problem: In unserem Essig sind nur 5 wt.% Essigsäure (das sind 1,6 mol%). Umgerechnet auf das Diagramm müssen wir also bei einem x-Wert von 0,984 schauen. Und da liegen beide Kurven fast aufeinander und die Siedetemperatur bei etwa 100°C.

Praktisch bedeutet das, dass Wasser und Essigsäure zwar verdampfen, aber der Dampf in etwa die gleiche Zusammensetzung hat wie die Flüssigkeit.
Damit ändert sich das Verhältnis in der Flüssigkeit nicht und somit bleibt auch der pH-Wert annähernd gleich.

Je mehr Essigsäure in der Flüssigkeit ist, desto leichter kann man sie trennen. Bei einem mol% Wert von 0,6 (also 60 mol% Wasser in der Mischung) gehen die Kurven schon gut auseinander. Allerdings besteht solch eine Lösung schon aus 69 wt.% Essigsäure.
Für Essigessenz mit 25 wt.% müssten wir für die Trennung bei 0,9 auf dem Diagramm schauen. Das geht auch nicht gut.

Wer jetzt genau hinschaut sieht natürlich, dass kleine Unterschiede da sind. Das heißt, es verdampft schon ein klein wenig mehr Wasser und der Anteil an Essigsäure steigt in der Flüssigkeit ganz leicht. Aber: wirkliche pH-Wert-Änderungen ruft das nicht hervor.

Ich hoffe, dass ich etwas Licht ins Dunkel bringen konnte. :)


Weitere Anmerkungen

Abschließend möchte ich noch einige Dinge kommentieren und evtl. berichtigen. Einfach nur, um die "wissenschaftlich halbwegs korrekte" Darstellung zu haben.

Annahme:
Ich gebe zu 1 Liter Chilisauce 50 Gramm Essig/Essigessenz und komme so auf einen pH-Wert von 5,0.

Der pH-Wert solch einer Mischung liegt grob bei 3 (für 5%igen Essig) bzw. 2,7 (für 25%ige Essigessenz)

Was passiert beim Einkochen mit dem pH-Wert?
  1. Der pH-Wert sinkt. Durch den Essig habe ich ja Wasserstoffionen der Sauce zugeführt. Die Anzahl der Wasserstoffionen ändert sich nicht, aber die Menge an Flüssigkeit, in der die Wasserstoffionen gelöst sind.
  2. Der pH-Wert bleibt gleich. Wasser und Essig verdunsten im gleichen Maße.
  3. Der pH-Wert steigt. Essig verdampft stärker als Wasser und dadurch gehen überproportional viele Wasserstoffionen verloren.

Zu. 1. Ja, es sind mehr Wasserstoffionen (Protonen) in der Sauce. Es verdampft ja aber sowohl Wasser als auch Essigsäure (und zwar inklusive der jeweiligen Protonen). Der Dampf an sich ist auch sauer.

Oder vereinfacht:
Wenn ich Essig/"Essigessenz mit Wasseranteil Null" durch Kochen reduziere, sinkt dann der pH-Wert?

Prinzipiell gilt: je stärker konzentriert die Säure (also je weniger Wasser sie enthält), desto niedriger der pH-Wert, da dieser direkt von der Protonenkonzentration abhängt. Aber: bezüglich der Destillation (Wasserentfernung durch Verdampfen) habe ich es ja oben erklärt, warum es nicht funktioniert.

Wenn man Essig in Wasser gib, dann dissoziiert der Essig in Wasser. Es sind in der Mischung also keine kompletten Essigsäuremoleküle und Wassermoleküle vorhanden.
[...]

Vgl. Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Essigsäure

770px-Essigs%C3%A4ure_Protolyse_V2.svg.png

Das stimmt zwar, beim Verdampfen gehen allerdings die vollständigen Moleküle (Essigsäure und Wasser) in die Gasphase über, nicht die dissoziierten Ionen.
 
Um ganz sicher zu gehen: Das heißt dass es beim Sauce-kochen egal ist ob ich den Essig schon zu Beginn in die Sauce kippe und die ganze Zeit mitkoche oder ob ich den Essig erst gegen Ende dazugebe und nur ganz kurz aufkoche?
 
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