Kristallisationswärme = temporärer Fostschutz - Das Experiment

Anfänger2013

Jolokiajunkie
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Ein temporärer Frostschutz währe für Chilizüchter sehr sinnvoll.
  • Herbst: Nützlich wäre ein temporärer Frostschutz im Herbst, wenn die ersten Nachtfröste kommen. Meist sind es nur sehr wenige Tage mit niedrigen Temperaturen, gefolgt von einer längeren Zeit mit deutlich höheren Temperaturen. Wenn die Pflanze diese wenigen Tagen überstehen, dann kann der Anbau meist um einige Wochen verlängert werden.
  • Frühjahr: Auch im Frühjahr gibt es manchmal Nächte mit Frost. Die noch jungen Pflanzen reagieren darauf besonders empfindlich. Zumindest die Pflanzen im Beet können nicht einfach hereingeholt werden.
Die Obstbaueren sprühen als Frostschutz die Blüten ihrer Bäume zu diesem Zweck mit Wasser ein. Die Kristallisationswärme schützt die Blüten vor den kalten Temperaturen.

Nachdem ich in den letzten Tagen die Stärke des Effekts kennengelernt habe finde ich, dass diese etwas mehr unserer Aufmerksamkeit verdient.


Bisherige Erkenntnisse aus: https://chiliforum.hot-pain.de/thre...zt-winterharte-chili.33258/page-8#post-778916

Ein 40x40x3 cm großer Untersetzer gefüllt mit sehr feuchter Erde. Bild nach der ersten Nacht: Steinhart gefroren!
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Kristallisationswärme.png


Das Ergebnis war extrem interessant.
Wie man sieht bleibt die Erdtemperatur sehr lange konstant bei -0,5 Grad.
  • Die -0,5 Grad sind leicht zu erklären. Die Keimlinge stehen in gedüngter Blumenerde. Die Düngersalze in der Erde senken den Gefrierpunkt des Wassers um 0,5 Grad.
  • Etwas länger habe ich gebraucht um zu verstehen, wieso sich die Erdtemperatur so lange nicht senkt. 3 cm Erde speichert nicht so viel Wärme und der Untersetzer war durch einen zweiten Untersetzer und dazwischen 5 cm Holz vom Boden isoliert. Von Kristallisationswärme haben wir zwar alle in der Schule gehört aber ich konnte mir nicht vorstellen wie stark der Effekt ist. Nach etwas Recherche habe ich gelernt, dass bei der Kristallisation von Wasser 333,5 kJ/kg = 81 Kcal/kg Energie entsteht. Anders ausgedrückt: Mit der Energie, die bei der Kristallisation von Wasser entsteht, kann man die selbe Menge Wasser auch von 0 °C auf 81 °C erwärmen.
    Das bedeutet, dass immer wenn ein Eiskristall entsteht gleichzeitig etwas Wärme entsteht, die die Erde erwärmt. Der Effekt war so stark, dass die Kristallisationswärme der recht nassen Erde ausreichte die Temperatur der Erde 1 1/2 Tage am Gefrierpunkt zu halten. Erst als alles Wasser kristallisiert war, fiel die Temperatur wie von mir erwartet.
Nachdem ich extrem von der Stärke der Kristallisationswärme überrascht war, habe ich beschlossen etwas mehr darüber zu lernen.


Fragestellung 1: Wie wirkt sich die Kristallisationswärme auf einen Pflanztopf aus?

Ein 10 Liter Pflanztopf enthält ca. 2 Liter Wasser.
Daher habe ich eine Schüssel mit 2 Liter Wasser gefüllt und einen Sensor in der Mitte platziert. Der Holzstab am Sponsor sorgt dafür, das er in der Mitte der Schüssel bleibt.

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Am nächsten Morgen: 4 Millimeter Eis

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Temperaturen:

Kristallisationswärme 1.png


Man beachte den kleinen Haken im Temperaturverlauf vom Wasser.

Aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Eis
"Der Schmelz- bzw. Gefrierpunkt von Eis liegt unter Normalbedingungen bei 0 °C und eine spezifische Schmelzwärme von 332,8 kJ/kg.
Kristallisationskeime, also Verunreinigungen wie Staubpartikel, Bakterien usw. sind allerdings Bedingung für eine Eiskristallbildung, da sich die kristallisierenden Wassermoleküle an diese anlagern müssen. In so genanntem „unterkühltem Wasser“, nicht gefrorenem Wasser unter 0 °C, besitzen die Moleküle eine vom Normalfall abweichende Nahordnung, und es bilden sich Ikosaederstrukturen aus: so kann z. B. sauberes unterkühltes Mineralwasser an den beim Öffnen der Flaschen entstehenden Gasperlen spontan gefrieren. Ohne externe Auslöser gefriert Wasser bei -48 °C. Sehr reines (destilliertes) Wasser kann bis zu -70 °C unterkühlt werden."

Wahrscheinlich hat eine kleine Erschütterung oder etwas anderes die Entwicklung des ersten Eiskeims bei -1,0625 Grad ausgelöst. Danach haben sich an den ersten Eiskristall weitere Eiskristalle angelagert. Durch die dadurch freiwerdende Kristallisationswärme ist die Temperatur auf -0,25 Grad gestiegen.


PS:
Kennt sich jemand genau mit der Frostschutzberegnung in der Landwirtschaft aus?
Gibt es Handlungsanweisungen wann, wie lange usw. die Frostschutzberegnung eingesetzt werden muss?
 
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Mal wieder schöne Experimente von dir :thumbsup:

Fragestellung 1: Wie wirkt sich die Kristallisationswärme auf einen Pflanztopf aus?

Was genau versuchst du mit dem Experiment (Wasser in der Schüssel) herauszufinden? Dass die Temperatur in der Erde annähernd konstant bleibt, solang der Kristallisationsprozess läuft hast du ja schon gezeigt. Geht es dir um eine dynamische = zeitlich abhängige Betrachtung?

Wahrscheinlich hat eine kleine Erschütterung oder etwas anderes die Entwicklung des ersten Eiskeims bei -1,0625 Grad ausgelöst. Danach haben sich an den ersten Eiskristall weitere Eiskristalle angelagert. Durch die dadurch freiwerdende Kristallisationswärme ist die Temperatur auf -0,25 Grad gestiegen.

Wird wohl ein Staubpartikel oder die unebene Behälterwand gewesen sein.
 
Geht es dir um eine dynamische = zeitlich abhängige Betrachtung?
Ja!
Z. B.:
  • Ist es sinnvoll die Pflanzen zu gießen, wenn man weis, dass es nur wenige Tage lang die Temperaturen unter Null bleiben?
  • Wie lange schützt die Kristallisationswärme die Wurzeln vor dem Frost?

Darüber hinaus geht es mir darum den Effekt praktisch zu verstehen und Anwendungsmöglichkeiten zu finden.
 
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Um die Dauer abzuschätzen bis ein Pflanztopf durchgefroren ist solltest du denke ich direkt im gleichen System messen. Am besten radial mehreren Sensoren platzieren.
Die Zeit ist davon abhängig wie gut die Wärmeübertragung zwischen Topf und Umgebung funktioniert. Bei der Betrachtung der Wassermenge von 2L in einer Schüssel hast du zwei Probleme, die die Ergebnisse schlecht übertragbar machen:

1. Die Geometrie ist eine ganz andere. Die für Wärmestransport zur Verfügung stehenden Austauschflächen sind hier deutlich kleiner als in einem Pflanztopf.

2. Die Wärmeleitfähigkeit des Mediums Wasser ist sehr wahrscheinlich eine ganz andere als die von nassem Substrat. Das kann zur Folge haben, dass die Temperaturprofile in beiden Systemen möglicherweise sehr unterschiedlich sind.

Weiterhin ist die Dauer des Durchfrierens neben der Temperatur auch stark abhängig von den Windbedingungen. Man unterscheidet die Mechanismen freie und erzwungene Konvektion. Bei letzterer (Wind) ist die Wärmeübertragung deutlich effektiver und der Topf wird dir viel schneller durchfrieren.
 
Sehr interessant, vor allem, weil es erstmal nicht intuitiv ist, dass nasse Erde (möglicherweise) länger zum Einfrieren braucht, als trockene. Aber macht natürlich Sinn.
Spannend wäre jetzt der 1zu1 Vergleich. Zwei Eimer Erde, einen davon kräftig gießen, den anderen nicht, und dann ab damit in die Kälte. Hast du was in der Art geplant?
Allerdings, wenn der Untersetzer mit sehr nasser Erde bereits in der ersten Nacht durchfriert, ergehts den Töpfen dann genau so, oder halten die signifikant länger durch?
Vielleicht in Kombination mit weiteren Schutz-Maßnahmen?
Ich werd den Faden auf jeden Fall weiter verfolgen:)
 
Wie von Wetterbericht vorhergesagt endet heute das keine Vorexperiment:

Nach 37 Stunden: (Ab dem Zeitpunkt wo das Wasser 0 °C erreicht hat)
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Von den 2 Liter Wasser sind immer noch 1030 Gramm flüssig.

37 Std / 970g * 2000g = 76,3 Stunden = 3,18 Tage = 3 Tage und 4 Stunden

Erst nach 3,18 Tagen würden die Temperaturen in der Schüssel unter Null Grad fallen, bei dem unten gezeigten Temperaturverlauf. Wahrscheinlich sogar noch etwas später, da im Eis bestimmt noch nicht kristallisierte Wassermoleküle zu finden sind.

Weniger als 1 Liter Wasser hat gereicht die Wurzeln in zwei kalten Nächten vor Temperaturen unter Null zu schützen.

Temperaturverlauf:
Kristallisationswärme 2.png




In einer Woche wird es wieder kalt und dann kommt ein durchwurzelter 7 Liter Blumentopf zum Einsatz.
Dann sollten ca. 4 kalte Tage für ein Experiment zur Verfügung stehen.
 
Dieser durchwurzelter 7 Liter, 22 cm Blumentopf stand mehrere Monate in der Garage und war sehr trocken. Ich habe ihn über Nacht in einem bis zum Topfrand mit Wasser gefüllten Eimer gestellt. Nach dem gründlichen Abtropfen betrug die Gewichtszunahme 2,64 Kilo.

Je einen Temperatursensor habe ich in 12 cm tiefe in der Topfmitte und 2 cm vom Rand entfernt platziert. Der Dritte misst die Außentemperatur.
Der Topf steht auf zwei Kanthölzern und ist so vom Boden isoliert.

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Nur 2,6 Liter Wasser haben die Wurzeln erstaunlich lange vor dem Frost geschützt.
So ein 22 Zentimeter Blumentopf hat ja auch nicht viel Volumen, die vor der Kälte isoliert.

Kristallisationswärme-10.jpg


Zwei Aspekte sind wichtig:
  • So lange nicht das gesamte Wasser kristallisiert ist kann die Pflanze Wasser über die Wurzeln aufnehmen. Im Winter sterben sehr viele Pflanzen daran, dass sie vertrocknen. An sonnigen Wintertagen verliert die Pflanze oben viel Wasser aber die Erde ist gefroren und so kann kein neues Wasser von der Pflanze gesammelt werden.
  • Bei dem Experiment war die Erde maximal feucht. Es ging hier nur um den Effekt der Kristallisationswärme. Beim Überwintern ist es wichtig, dass die Erde nicht zu feucht ist. Wenn Wasser gefriert, dann nimmt das Volumen um etwa 9 Prozent zu. Durch diese Ausdehnung werden die Wurzeln zerquetscht, wenn die Erde nicht genügend Luft enthält um die Volumenveränderung zu kompensieren.
 
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Bei der Kristallisation entsteht Wärme = Kristallisationswärme
Beim Auftauen ist der Effekt genau umgekehrt. Die Kristallisationswärme muss jetzt zusätzlich zur Temperaturveränderung Energie aufgebracht werden.

Wie man sieht, steigt die Temperatur schnell aus dem Minusbereich und bleibt dann wieder recht lange bei ca. 0 °C. Das Aufbrechen der Eiskristalle benötigt viel Energie. Erst nachdem alle Eiskristalle aufgebrochen sind steigt die Temperatur wieder normal.

Kristallisationswärme 11.png


Obwohl der Abstand zwischen dem äußeren und dem inneren Temperatursensor nur 10 Zentimeter betrug, reichten die 10 cm aus die Erde eine Nacht länger bei - 10 °C frostfrei zu halten.

Große Töpfe sind also wichtig für das Outdoor-Überwintern von Pflanzen!
 
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