Gebeiztes

Von ihm hab ich "Die Molekül-Küche" da, ein lohnenswertes Buch wenn einen die Chemie/Physik/Biologie in der Küche näher interessiert;)


Beim Nass-Beizen denaturiert die Säure die Proteine, was ja quasi einem Garprozess entspricht.
Exakt, im Prinzip kaum etwas anderes als eine gute Marinade. Das Kollagen im Fleisch wird durch die Säure zum Teil zerstört und das Fleisch somit zarter und muss weniger lang kochen, noch dazu werden die Aromen in das Fleisch transportiert (Stichwort Osmose).

Hier muss man aber aufpassen, Nassbeizen ist etwas anderes als Nasspökeln. Beim Nassbeizen wird eben Säure verwendet, beim Nasspökeln ist es eine Salzlake. Und beide Sachen sind für unterschiedliche Zwecke, Nassbeizen bringt zarteres Fleisch mit mehr Aroma aber nicht zwingend längerer Haltbarkeit, da der Wasseranteil im Fleisch ja kaum gesenkt wird, Nasspökeln macht das Fleisch haltbarer und zarter und kann auch Aromen ins Fleisch transportieren, ist aber dafür logischerweise deutlich salziger.

Das Trocken-Beizen scheint mir dem Pökeln recht ähnlich zu sein.
Im Prinzip ist Trockenbeizen eine simplere Pökelform. Beim Trockenbeizen nimmt man meistens nur normales Kochsalz und Gewürze und legt Fleisch/Fisch da ein, dadurch wird das Fleisch weicher und bekommt mehr Aromen und wird durch den Wasserentzug haltbarer. Beim Pökeln kommen neben Kochsalz noch andere Stoffe dazu, meistens Stickstoffverbindungen (Kalium- oder Natriumnitrit oder Nitrate), die - wie NaCl auch - Bakterienwachstum hemmen, aber Bakterien auch abtöten können. Außerdem helfen die Nitrite, dass das Fleisch schön rot bleibt und nicht grau wird (ist aber nur eine optische Sache und für Geschmack und Haltbarkeit komplett irrelevant), Kochsalz-Nitrit-Mischungen sind dann die Basics vom berühmten Pökelsalz. Je nachdem kann man noch andere Stoffe dazumischen, zum Beispiel Zucker, andere Haltbarkeitsmacher oder noch Mikroorganismen.

Je geringer der Wassergehalt im Fleisch desto mehr wird das Bakterienwachstum gehemmt und desto haltbarer ist es. Da beim Nasspökeln eine Salzlake verwendet wird, wird dem Fleisch weniger Wasser entzogen, da das Gleichgewicht durch den höheren Wasseranteil in der Salzlake im Vergleich zum kaum vorhandenen Wasseranteil bei reinem Salz (also Trockenpökeln) eher erreicht wird, daher eignet sich Trockenpökeln eher für lange Haltbarkeit.

Aber immer dran denken: Nitrite gelten als (indirekt) krebserregend und ziehen natürlich auch ins Fleisch ein, werden also mitkonsumiert.


geht das also "nur" in Richtung Haltbarkeit durch Trocknung?
Beim normalen Beizen ja, beim Pökeln kann man wie beschrieben auch andere Stoffe dazumischen, die Bakterien "aktiv" abtöten.


Schwein, Geflügel?
Wenn ich etwas nicht kurz für den Geschmack sondern länger einlegen will, dann würde ich es pökeln. Generell kann man sich bei Fleisch, welches keinen großen Kontakt zu Luftsauerstoff hat Clostridium botulinum einfangen, damit ist nicht zu spaßen, da würde ich auf Nummer sicher gehen und noch Ascorbinsäure oder andere bakterizide verwenden und an der Luft pökeln.

Bei den anderen muss man denke ich unterscheiden, wieso man sie nicht roh essen sollte.

Bei Schwein sind das Problem Trichinen, also parasitäre Fadenwürmer. Das RKI sagt dazu "Räuchern, Pökeln und Trocknen sind keine ausreichend wirksamen Maßnahmen zur Larvenabtötung.". Wenn ich jetzt aber mal überlege, wie viele Mettbrötchen wohl pro Tag hierzulande gegessen werden und wie viele Fadenwürmerinfektionen es wohl gibt...:whistling:
Wenn man da auf Nummer sicher gehen will, einfach danach erhitzen und eine Kerntemperatur von über 70°C im Fleisch haben, dann sind die Würmchen auch Geschichte.

Bei Geflügel sind die Krankmacher Bakterien, vorallem Campylobacter und die bekannten Salmonellen. Beizen verlangsamt nur den Wachstumsprozess und tötet nicht 100% der Bakterien ab. Pökeln ist auch bakterizid, aber darauf würde ich mich nicht verlassen, besonders bei Campylobacter genügen sehr wenige Bakterien für eine Infektion. Da frage ich mich auch, ob Pökeln nicht sogar beim Wachstum helfen könnte, da Campylobacter-Bakterien Nitrat statt Sauerstoff zur Atmung verwenden, und man bei manchen Pökelsalzen ihnen ja damit noch "Futter" liefern würde.

Ergo: Bei Schwein und Geflügel geht beizen oder pökeln zur Aromatisierung gut, würde ich danach aber definitiv nicht "roh" essen.


So, einen kleinen Roman zur späten Stunde geschrieben, ist aber auch ein spannendes Thema finde ich was man alles fernab der "herkömmlichen" Zubereitungsarten machen kann:D
 
Von ihm hab ich "Die Molekül-Küche" da, ein lohnenswertes Buch wenn einen die Chemie/Physik/Biologie in der Küche näher interessiert;)
Ich bin doch kein Freak :angelic::whistling:
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Danke für deine ausführliche Antwort.
(Studierst du eigentlich in die Richtung?)

Laut deiner Erklärung hab ich das grundsätzlich schon so weit richtig verstanden.

Wenn man da auf Nummer sicher gehen will, einfach danach erhitzen und eine Kerntemperatur von über 70°C im Fleisch haben, dann sind die Würmchen auch Geschichte
Ein Schweinefilet mit über 70° KT wäre zu Unrecht gestorben. :woot:
Dann muss ich mal schauen was ich mache.
Wenns eh schon in Folie ist, könnte ich es eigentlich gleich Sous Vide auf 60° ziehen.
Als Gewürze dachte ich an "Salzzitronen-Salz", Szechuanpfeffer und Zitronenthymian.
Mal gucken ob ich's heute zum Metzger schaffe, werd auf jeden Fall hier zeitnah berichten. ;)
 
Das hab ich schon länger vor aber noch nie selber gemacht :D

Kannst du die Bücher (besonders die Aromawälzer) denn empfehlen? Hatte ich beide schon länger im Auge, war aber bisher zu geizig :angelic:

(Studierst du eigentlich in die Richtung?)
Momentan noch Biologie&Chemie für Gymnasiallehramt, werde aber zum Wintersemester wechseln:whistling:


Ein Schweinefilet mit über 70° KT wäre zu Unrecht gestorben
Das stimmt wohl, ich denke wir sind hier in Deutschland hygienetechnisch auch ziemlich weit vorne, ich habe schon ewig nichts mehr von verseuchtem Schweinefleisch gelesen.


werd auf jeden Fall hier zeitnah berichten.
Klingt gut, wie die gesamte geplante Zubereitungsart:thumbsup:
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich kenne da nur die skandinavische Variante mit einer Salz-Zucker-Dill-Mischung in die er 2-3 Tage gelegt wird

Zudem trockenen machste noch Zitronensaft und oder Orangensaft am besten frisch gepresst :drool:

Exakt! Salz - Zucker - Dill
Kümmel, Senfsaat, Pfefferkörner, Piment, Loorbeer, Nelken, Sternanis (Edit: Koriandersamen waren auch noch dabei)
Orangensaft sowie frische Zitrone und Orange in Scheiben geschnitten.

• Alle Gewürze Mörsern
(Zipperbeutel & mit einem Topf zerschlagen geht auch) ;)
• Gewürze mit Salz & Zucker mischen
• Lachs mit der Mischung einreiben und bedecken
• den Dill fein hacken & darüberstreuen
• Orangen- & Zitronenscheiben darauflegen und mit Orangensaft begießen
- darauf achten, dass die Zitronenscheiben keinen direkten Kontakt zum Fisch haben, die Säure zerstört die Struktur und verändert die Konsistenz
• das Ganze für ca 20 Std. beizen
• anschließend den Lachs unter fließenden Wasser abspülen, in beliebig große Stücke, Scheiben etc. schneiden und servieren
• dünn und wenig ist hier mehr ;)
 
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Kannst du die Bücher (besonders die Aromawälzer) denn empfehlen?
Sind bestimmt keine Bücher die man jedermann empfehlen würde.
Für mich sind sie sehr interessant, weil ich immer alles sehr genau wissen möchte.
Vilgis schreibt genau das, was ich lange suchte, wissenschaftlich, sehr fundiert und dennoch verständlich.
Werd bestimmt noch weitere Bücher von ihm anschaffen.
Übrigens, er ist Co-Autor vom Journal Culinaire.

Zum Thema, war gestern noch schnell beim Metzger und hab fürs Vorhaben ein kleines Stückchen Schweinefilet und ein Reststück Rind (müsste Tafelspitz sein) abgestaubt.
Das Rindfleisch teilte ich in 3 Stücke, um 3 verschiedene Würzmischungen zu testen.

- Nr.1 kommt beim Schwein und bei einem Stück Rind zum Einsatz.
Salzzitronen-Salz, Szechuanpfeffer, Zitronenthymian, Zucker.
Ersteres musste erst aus dem Glas gefischt und getrocknet werden, da ich nur noch ne kleine Menge hatte.
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Die Hälfte vom Szechuanpfeffer hatte ich in der Pfanne trocken geröstet, um weitere Aromen reinzubekommen.
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Alles vermengt, riecht fantastisch.
Hab gleich noch mehr davon gemacht, ohne Zucker, und in ein Glas gefüllt.
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Das Fleisch gewürzt und in Folie gewickelt.
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- Nr. 2 ist eine fertige Gewürzmischung, die gabs beim letzten Steak-Kauf als Geschenk.
Salz, Rosmarin, Knoblauch, Salbei, Pfeffer.
Hab noch Zucker beigegeben.
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- Nr. 3, jetzt wirds etwas ausgefallener.
Kaffeebohnen, Kardamomkapseln, Whiskey-Pfeffer, Rauchsalz, Salz, Mascobado, Chili-Pulver (Aji Panca).
Riecht erstmal recht harmonisch.

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Und alles ab in den Kühlschrank.
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Fortsetzung folgt... ;)
 
Das klingt eigentlich sehr spannend, wird dann wohl die nächste Anschaffung...welches der beiden würdest du zuerst empfehlen?
Die Frage kann ich dir nicht wirklich beantworten.
Beide Bücher sind sehr umfangreich und vermitteln sehr viele Informationen.
Beide haben einen allgemeinen Teil, wo erklärt wird wie sich Flavour zusammensetzt, wie das Riechen und schmecken funktioniert, wie Aromastoffe aufgebaut sind usw.
Im "Gewürz-Buch" finden sich auch allerhand Infos zu Kräutern, Ölen und, für "uns" besonders interessant, ein ausführlicher Teil über Chilis.
Im "Gemüse-Buch" findet man einen gut recherchierten Teil über nicht oder kaum scharfe Capsicum, Gemüsepaprika und Co.
Es wird gut erklärt welche Aromen vorhanden sind, wie sie sich mit fortlaufender Reife oder unter Einfluss von Temperatur verändern, mit welchen Aromen sie harmonieren und warum.
Es gibt auch zahlreiche Rezepte, meist eher ausgefallen bis experimentell, auch wenn diese bestimmt nicht im Mittelpunkt stehen.

Was dir vermutlich am ehesten bei der Entscheidung hilft, du findest auf Google Books recht großzügige Leseproben, von beiden Büchern.
Beide Bücher sind in meinen Augen ihr Geld locker wert, wenn man bedenkt, wie viel Arbeit und Wissen darin steckt.
Und wie viel teilweise "Kochbücher" kosten, die zum größten Teil "nur" Rezeptesammlungen sind....

LG, Patrick
 
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